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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zeigte auf einen kleinen rot bemalten Spind neben dem Futon. »Hier wollen wir dich unterbringen. Komm rein.« Sie streifte die Schuhe ab, ging zu der Tatamimatte, schob die Shoji zurück und setzte sich im Schneidersitz auf die Matte.
    Ich zog ebenfalls die Schuhe aus, stellte den Rucksack an die Südmauer, ging zu ihr und setzte mich neben sie.
    »Nun denn«, sagte sie und hielt mich wieder an den Unterarmen. »O Mann.«
    Eine Minute konnte ich nicht sprechen. Ich fragte mich, ob die Höhe oder die sauerstoffreiche Atmosphäre mich so gefühlsduselig machten. Ich konzentrierte mich darauf, die Reihen der Leute in strahlenden Chubas zu beobachten, die den Tempel verließen und auf den schmalen Simsen und Brücken an der Felswand entlang nach Westen gingen. Unmittelbar gegenüber unserer offenen Tür lag das funkelnde Massiv des Heng Shan, dessen Eisfelder im Licht des Spätnachmittags erstrahlten. »Himmel«, sagte ich leise. »Es ist wunderschön hier.«
    »Ja. Und tödlich, wenn man nicht vorsichtig ist. Morgen werden A. Bettik und ich mit dir die Steilwand hinaufklettern und deine Kenntnisse über Bergsteigerausrüstung und -verhalten auffrischen.«
    »Was ich brauche, ist ein Anfängerkurs«, sagte ich. Ich konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht, ihren Augen abwenden. Ich hatte Angst, wenn ich ihre Haut wieder berührte, könnten sichtbare Fünkchen zwischen uns überspringen. Ich erinnerte mich an den elektrischen Schock, wenn wir uns berührt hatten, als sie noch ein Kind war. Ich holte Luft. »Okay«, sagte ich.
    »Als du hierher gekommen bist, hat der Dalai Lama – wer immer das ist – zu dir gesagt, dass du am Tempel arbeiten kannst. Aber wann bist du hier angekommen? Wie bist du hierher gelangt? Wann hast du Rachel und Theo kennen gelernt? Wen kennst du sonst noch gut hier? Was ist passiert, nachdem wir uns in Hannibal verabschiedet hatten? Was ist aus allen anderen in Taliesin geworden? Haben dich die Truppen des Pax gejagt?
    Wo hast du alles über Architektur gelernt? Sprichst du immer noch mit den Löwen und Tigern und Bären? Wie hast du...«
    Aenea hielt eine Hand hoch. Sie lachte. »Eins nach dem anderen, Raul.
    Weißt du, ich muss auch alles über deine Reise erfahren.«
    Ich sah ihr in die Augen. »Ich habe geträumt, dass wir uns unterhalten haben«, sagte ich. »Du hast mir von den vier Stufen erzählt... die Sprache der Toten lernen... die...«
    »Sprache der Lebenden lernen«, fuhr sie an meiner Stelle fort. »Ja. Das habe ich auch geträumt.«
    Ich muss die Brauen hochgezogen haben.
    Aenea lächelte und legte beide Hände auf meine. Ihre Hände waren größer und bedeckten meine massive Faust. Ich erinnerte mich an eine Zeit, als ihre beiden Hände in meiner verschwunden waren.
    »Ich erinnere mich an den Traum, Raul. Und ich habe geträumt, dass du Schmerzen hattest... dein Rücken...«
    »Nierenstein«, sagte ich und verzog angesichts der Erinnerung das Gesicht.
    »Ja. Nun, ich schätze, das beweist, dass wir immer noch Freunde sind, wenn wir gemeinsam träumen können, obwohl Lichtjahre zwischen uns liegen.«
    »Lichtjahre«, wiederholte ich. »Na gut, wie hast du sie überwunden, Aenea? Wie bist du hierher gekommen? Wo bist du sonst noch gewesen?«
    Sie nickte und fing an zu erzählen. Der Wind, der durch die offene Wandverkleidung wehte, raufte ihr Haar. Während sie sprach, wurden die Strahlen der Abendsonne, die auf den gewaltigen Berg im Norden und die Felswände im Osten und Westen fielen, voller und schräger.
    Aenea hatte Taliesin West als Letzte verlassen, aber nur vier Tage nachdem ich den Mississippi hinuntergepaddelt war. Die anderen Lehrlinge waren durch unterschiedliche Farcaster aufgebrochen, sagte sie, und die letzte Energie des Landungsboots war dabei verbraucht worden, sie zu den verschiedenen Portalen zu befördern – in der Nähe der Golden Gate Bridge, am Rande des Grand Canyon, auf den Steinköpfen des Mount Rushmore, unter den rostigen Gerüsten der Startrampen des Historischen Themenparks Kennedy-Raumhafen –, wie es schien, alle auf der westlichen Hemisphäre der Alten Erde. Aeneas Farcaster war in einem Lehmziegelhaus nördlich der Geisterstadt namens Santa Fe erbaut worden. A. Bettik war mit ihr gefarcastet. Ich blinzelte eifersüchtig, als ich das hörte, sagte aber nichts.
    Das erste Farcasten hatte sie auf eine Welt mit hoher Schwerkraft namens Ixion geführt. Der Pax war dort präsent, aber vorwiegend auf der anderen Hemisphäre. Ixion hatte sich nach

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