Energie fur Centaur
werde sich jemand zeigen. Dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf eine
erhabene Felswarze, ein Erosionsgebilde, und schließlich warf
er seine Seilschlinge darüber. Er ließ das andere Seilende nach
unten gleiten, sah ihm mit gemischten Gefühlen hinterher. Mit
einem letzten fordernden Blick musterte er den Höhleneingang,
aber niemand zeigte sich. Zu allem Überfluß bemerkte er, daß
der Abstieg von oben, vom Cañonufer aus, möglicherweise
leichter gewesen wäre. Aber er sah sich außerstande, die
Seilschlinge wieder zu lösen.
Gernot landete im Tal, behängte sich mit einigen Geräten,
einer Lampe, einer kleinen Auswahl von Werkzeugen und trat
dann mit einiger Skepsis an das herabhängende Seilende.
Es war eine ungeheure und obendrein gefährliche Schinderei,
die sich Gernot auferlegte. Im Klettern und in den Künsten
einer fachgerechten Seilhandhabe völlig unbedarft, war er
mehrmals nahe daran aufzugeben. Als er keuchend, zerschrammt und völlig erschöpft vor dem Höhleneingang lag,
dämmerte die Nacht heran. An den Abstieg in der Finsternis
wollte er noch nicht denken…
Nach einer längeren Pause machte sich Gernot ans Werk.
Ohne besondere Vorsicht walten zu lassen, drang er durch den
Tarnvorhang ein. Der Vorraum lag völlig im Finstern. Dann,
nach dem Bogen, schimmerte vorn ein Lichtschein, und im
„Maschinenraum“ war es beinahe hell.
Gernot fühlte sich von der Totenstille, die im Inneren der
Höhle herrschte, beklommen. Sein Gefühl, umsonst gekommen
zu sein, nahm zu. Es schien, als hätte Lim mit den Seinen sein
Reich verlassen. Aber das wollte Gernot nicht glauben. Er hatte
sich von einem Gespräch mit dem alten Centauren viel
versprochen, wenn er auch nicht zu sagen vermocht hätte, was.
Ohne sich weiter von den toten Maschinen, dem Hallen der
Schritte und dem doch düsteren Licht entmutigen zu lassen,
begab sich Gernot zum Fahrstuhl. Die Kabine stand offen.
Ohne zu zögern, trat er ein, studierte das Tableau, wählte aus
der Erinnerung heraus die Taste. Eine einsetzendes Brummen,
das Schließen der Türen und danach das Anrucken der Kabine
hatten für Gernot so etwas Anheimelndes, daß er erleichtert
„Na also!“ sagte.
Gernot erreichte tatsächlich die Chefetage, was ihn wiederum
frohlocken ließ, aber nur wenige Minuten. Keine Seele befand
sich außer ihm auf ihr. Allerdings ließen sich nicht alle Räume
öffnen. Aber es war wohl nicht anzunehmen, daß sich die
Leute eingeschlossen hatten.
Gernot fuhr in die Erholungsetage, stürzte zur ersten Tür
hinein, die auf den Korridor zum Kindergarten mündete, und
blieb wie angewurzelt stehen. Auf zehn Pritschen schliefen
zehn Kinder in dem dämmrigen Raum. Außer diesen dürftigen
Liegestätten, über denen Strahler angebracht waren, die
anscheinend nicht funktionierten, befand sich nichts in dem
Raum.
Nachdem sich Gernots erste Überraschung gelegt hatte, kam
große Erleichterung über ihn. Kein Lebewesen läßt über einen
längeren Zeitraum seine Nachkommenschaft allein, also ich
brauche nur zu warten.
Gernot schlenderte in den Park. Aber eine echte Freude über
die üppigen und schönen Gewächse wollte sich nicht einstellen. Wer weiß, wann sie kommen. Sie haben die Kinder in
einen künstlichen Schlaf versetzt, vielleicht die Lebensfunktionen verlangsamt, das kann lange dauern, länger jedenfalls, als
ich mir leisten kann. Ihm kam eine Idee, wie man die Zeit
verkürzen könne: Auch centaurische Systeme sind nicht
störungsfrei, also wenn sie ihre Kinder allein lassen und es fällt
beispielsweise das Energiesystem aus, kann Schreckliches
passieren. Wenn schon kein biologischer Wächter zurückgelassen wurde, dann auf jeden Fall ein elektronischer. Er würde die
Abwesenden rufen. Gernot wurde sich zunehmend sicherer,
daß es nur so sein konnte. Hier, so sagte er sich, müßte man
eingreifen. Das war die Theorie, mit der Praxis sah es freilich
nicht so einfach aus. Wo bestand eine Möglichkeit einzugreifen?
Gernot begann, systematisch zu suchen. Doch nirgends
befanden sich Energiezuleitungen. Sie mußten jeweils den Fels
direkt durchbohrt haben, um die Kabel zu legen.
Gernot kontrollierte alle Räume, die vom Korridor aus zu
erreichen waren. Er zählte auf diese Weise an die zweihundert
Kinder, die friedlich schliefen. Was er suchte, fand er nicht.
Also – nach unten; denn er war der Meinung – eine allgemeine
Meinung –, die Versorgung komme von unten.
Er durcheilte den Maschinenraum,
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