Engel auf Abwegen
Sie lächelte. »Ich nach Mexiko gehen, um für Bailar Mejicano üben.«
»Du rennst Don Juan de Tango hinterher!«
Ich lachte und nahm sie in die Arme, obwohl ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen konnte. Aber in der Zeit, die sie brauchte, um ihre Sachen zu packen und Reisevorbereitungen zu treffen, verlangte sie, dass ich mich hinsetzte, während sie eine ihrer spanischen Schmähreden vom Stapel ließ – die diesmal mir galt. Sie sagte, dass sie keine Ratschläge geben würde (bitte hier einsetzen: unter sarkastischem Schnauben), dass sie jedoch nicht gehen könne, ohne mir zu sagen, dass es da draußen eine große Welt gäbe, größer als Willow Creek. Sie redete wie ein Wasserfall in ihrer Muttersprache und sagte, ich hätte mein ganzes Leben in Willow Creek verbracht und sei hier sogar zum College gegangen.
Was sollte ich dazu sagen? Ja, das stimmte, aber warum war das von Bedeutung?
Sie war nicht an einer Antwort interessiert, aber auch noch nicht fertig mit mir.
»Missy Ware, ich denke, Sie Angst haben zu gehen.«
Ich, Angst? Vor was denn?
»Sie gehen, Missy Ware. Sehen, was draußen ist. Gehen, wo ist nicht so leicht und sicher.«
Ich tat die Worte meines Dienstmädchens als belanglos ab – zunächst. Aber im Lauf der nächsten Tage, während Nina ihre Pläne zum Abschluss brachte, konnte ich ihre Worte nicht aus dem Kopf kriegen.
Ich konnte die Wirklichkeit nicht länger verleugnen, und die Wahrheit sprudelte an die Oberfläche wie dickes Rohöl. Ich hatte immer gesagt, dass ich keine Hilfe brauchte,
dass ich nicht gerettet werden wollte. Aber wem wollte ich etwas vormachen? Anscheinend nur mir selbst, denn seit meiner Geburt hatten Männer über mein Leben bestimmt und/oder mich gerettet. Natürlich hatte ich es mit meiner charmanten Persönlichkeit und meinem umwerfenden Aussehen lohnend für sie gemacht. Aber hatte Nina recht? Hatte ich Angst vor dem Leben, das außerhalb der Annehmlichkeiten meiner kleinen Welt lag?
Am Tag, nachdem ich Nina auf die Suche nach Don Juan mit genauen Instruktionen darüber, wie sie ihren Mann bekommen konnte, geschickt hatte, war ich überrascht, was ich meinem Verständnis nach noch alles zu tun hatte. Da ich jetzt keine Scheuklappen mehr trug und Nina meine rosafarbene Brille erbarmungslos mit ihrem Absatz zertreten hatte, wusste ich, dass sich die Dinge ändern mussten.
Ich rief meine Mutter an, obwohl Blythe Hildebrand die bevorstehenden Veränderungen, von denen ich ihr erzählte, nicht begriff. Mein Vater war zu sehr damit beschäftigt, das Bauprojekt für die League zu beaufsichtigen, als dass ihm irgendwelche Veränderungen aufgefallen wären. Nikki und Howard konnten kaum fassen, was ich tun wollte, aber sie unterstützten mich auf jede nur mögliche Art. Was mich daran erinnerte, dass ich noch eine Schuld zu begleichen hatte.
»Mutter, ich brauche deine Hilfe.«
»Was hat das denn zu bedeuten? Du kommst wirklich wegen irgendetwas zu mir?«
»Ja, ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
Nachdem ich es ihr gesagt hatte, versuchte sie zunächst, ihre Verärgerung zu verbergen. Dann stieß sie einen Seufzer aus. »Fein. Ich kümmere mich darum.«
In vierundzwanzig Stunden hatte sie Nikkis Sponsoren
zusammen. So etwas konnte nur meine Mutter. Sie, Pilar und ich waren bereits Teil der Gruppe. Aber sie brachte noch Lalee Dubois und eine von ihren engsten Freundinnen sowie Annalise Saunders mit. Es war eine beeindruckende Gruppe, eine richtige Power-Gruppe, die Nikki bei ihrer Zukunft in der JLWC gute Dienste erweisen würde.
Erst als ich genau wusste, dass das Paket komplett war und termingerecht akzeptiert wurde, rief ich Nikki an.
»Sitzt du?«
»Was ist los?«
»Du wirst in die League aufgenommen.«
Ich schwöre Ihnen, ihr Freudenschrei drang bis zu mir herüber.
»Bist du sicher?«, fragte sie.
Ich informierte sie über die Einzelheiten und sagte ihr, dass sie eine offizielle Einladung per Post erhalten würde. »Du wirst auf dem Mai-Meeting eingeführt.«
»Das ist schon in einigen Tagen! Wirst du auch dort sein?«
»Das möchte ich um nichts in der Welt verpassen.«
Sobald ich aufgelegt hatte, rief Juan vom Tor her: »Miss Dubois ist hier.«
Lalee erschien mit der neu gewählten Präsidentin und der Sekretärin des Nominierungskomitees. Da Nina nicht mehr da war, machte ich mich daran, den Tee zu servieren. Ich wurde von Tag zu Tag besser darin.
»Wir sind gekommen«, sagte Lalee, während ich im Sonnenzimmer Tee und Petits
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