Engel auf Abwegen
raus, und das zufriedenstellende Klacken der Tennisbälle hallte durch die Nachbarschaft.
Als die Maschine alle Bälle ausgespuckt hatte, nahm jede von uns einen hellgrünen Trichter, in den wir die Bälle sammelten. Als wir fertig waren und die Maschine neu geladen hatten, lächelte Nina mich an.
»Sie sind dran, Bernie .«
Sie legte den Schalter um, und die Bälle schossen mir entgegen wie ein Geschütz.
Ich schrie genauso laut wie Nina zuvor.
»Sch«, zischte sie.
Ich sah sie missmutig an und hatte kaum Zeit, zur Seite zu springen, während die Bälle immer schneller auf mich zuflogen. Im Gegensatz zu meinem Hausmädchen hatte ich vor langer Zeit schon mal Tennis gespielt. Ich rannte nach vorn und zurück und schlug nach den Bällen.
Nina stieß einen Pfiff aus. »Sie gut.«
»Haben … Sie … etwas … anderes … erwartet?«, fragte ich zwischen den Schlägen.
Nicht gerade erfreut über meinen – ihrer Meinung nach – Mangel an Bescheidenheit, gab sie ein verzweifeltes Schnauben von sich. Sie war mit dem Selbstverständnis der Latinos aufgewachsen, dass das schwächere Geschlecht sich zurücknimmt und sich in Bescheidenheit übt. (Nicht, dass sie selbst diese Eigenschaften aufwies, mit ihrem harten, gedrungenen Körper und der Andeutung von einem Schnurrbart.)
Als ich fertig war, versuchten wir, den Ball über das Netz zu schlagen. Aber das überstieg Ninas Fähigkeiten, und daher beendeten wir unser Spiel.
Ich ging nach oben und nahm eine Dusche, dann zog ich einen kurzärmeligen Kaschmirpullover an, den ich in den Bund einer hübschen cremefarbenen Hose steckte. Bevor ich nach unten ging, drapierte ich eine Perlenkette um
meinen Hals und zog flache Schuhe an. Nach dem Tennisspiel duschte Gordon normalerweise, aß sein Frühstück und ging in sein Büro, das in unserem Haus untergebracht war. Gott sei Dank brauchte ich nicht irgendeine Sekretärin oder Büroangestellte zum Narren halten. Das hätte sogar meine schauspielerischen Fähigkeiten überstiegen.
Golf zu spielen würde am Wochenende ziemlich problematisch werden, aber bis dahin würde Gordon bestimmt zurück sein. Wenn nicht, war es für meinen Mann nichts Ungewöhnliches, sich auf ein unerwartetes Abenteuer einzulassen. Oder war das immer schon eine Affäre gewesen?
Erneut wollte die Wut in mir aufsteigen, und meine Fingernägel bohrten sich in meine Handfläche. Ich wollte nicht wütend werden, nicht schon wieder.
Nina und ich brachten es fertig, dass jeder glaubte, mein Mann sei entweder zu Hause und beschäftigt oder soeben aus dem Haus gegangen und würde am Freitagnachmittag zurück sein.
Die Türglocke läutete, was kein gutes Zeichen war, weil nur sehr wenige Menschen Zugang zu meiner Haustür hatten. Aber es war Juan, der Besuch ankündigte.
Vielleicht war es ein Nachbar, aber noch nie zuvor war ein Nachbar unangemeldet vor meiner Haustür aufgetaucht. Ich vermutete, dass es jemand von der Liste war, die beim Pförtner hinterlegt war, der Liste, die Miss Mouse erwähnt hatte. Außer ihr standen noch einige Freunde und Familienangehörige auf der Liste.
»Lieber Gott, lass es nicht meine Eltern sein.«
Gott hatte mein Stoßgebet zwar erhört, aber er lachte sich gleichzeitig ins Fäustchen.
»Edith!«, sagte ich mit einer Begeisterung, die ich keinesfalls
empfand, als ich die Haustür öffnete und meine Schwägerin dort stehen sah.
Edith Ware war älter als ihr Bruder und fast ebenso groß. Sie trug strenge, vernünftige Kleidung – eine Hose mit Bügelfalten, ein Twinset und Schuhe mit niedrigen Absätzen. Für ein Mitglied, das Unterstützerfunktion in der Junior League hatte, war das nicht weiter überraschend, aber an ihr wirkten Schnitt und Stoff der Kleidung ziemlich stillos. Sie trug nur Erdfarben und liebte funktionelle Sachen, wogegen bei manchen Dingen auch nichts einzuwenden war, aber meiner Ansicht nach nicht, wenn es um Mode ging. Edith fehlte jedenfalls jeglicher Schick.
Vielleicht wäre sie eine attraktive, ja sogar hübsche Frau gewesen, wenn sie sich die Mühe gemacht hätte, ihr Haar zu färben. Sie war schon ziemlich früh ergraut, und nur dunkles Haar sieht sehr gut aus, wenn es grau wird. Edith hatte eine schmutzig blonde Haarfarbe, und ihr Haar wirkte durch den Verlust der Farbe immer schmutziger. Nächsten Monat wurde sie zweiundvierzig, das wusste ich, denn es war meine Aufgabe, an die Geburtstage von Freunden und Familienmitgliedern zu denken. Gordon unterschrieb einfach nur die Karten, die
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