Engel auf Probe (German Edition)
gekommen.”
Reed brauchte einen Moment, um zu verdauen, was Emilys Mutter ihm da soeben gesagt hatte. Aber dann hatte er Mitleid mit ihr, setzte sich neben sie aufs Sofa und sagte: “Es tut mir so leid, Mrs Enders. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich habe nach Emily suchen lassen, seitdem sie mich verlassen hat.”
“Das weiß ich alles, Mr Harding.”
“Sagen Sie doch Reed zu mir.”
Die Frau senkte den Kopf. “Danke, ich bin Lorraine.”
“Ich will Ihnen nicht noch mehr wehtun, Lorraine, aber können Sie mir erzählen, was Emily zugestoßen ist?”
“Emily kam zu mir, nachdem sie Sie verlassen hatte. Sie erzählte mir von Ihrem Bruder, dass er bei Ihnen beiden wohnen sollte und sie es auch mit ihm versucht hätte, wenn sie nicht …”
“… schwanger gewesen wäre?”, vollendete Reed fragend ihren Satz.
“Ja. Sie hat das Kind bekommen und es Rebecca genannt.”
“War meine Tochter bei dem Unfall dabei?” Panik stand Reed in den Augen.
“Ja, die Kleine war dabei”, antwortete Mrs Enders, fügte aber schnell hinzu: “Es geht ihr gut. Doch ich habe einen furchtbaren Fehler begangen und das Kind behalten, anstatt Sie zu informieren …”
“Sie informieren mich jetzt.” Reed nahm die Hände der Frau und fuhr fort: “Doch Sie müssen verstehen, dass ich zwei Jahre lang völlig verzweifelt war, weil ich überhaupt nicht wusste, was los war. Aber bitte erzählen Sie doch weiter.”
Dankbar sah Lorraine ihn an und fuhr fort: “Ich hatte solche Angst, dass Sie mir auch noch Becca nehmen würden, nachdem ich bereits Emily verloren hatte. Doch schließlich kam ich zu dem Schluss, dass es unrecht ist, einem Kind den Vater vorzuenthalten.”
“Wo ist Becca jetzt?”
“Ich habe sie mitgebracht. Aber bevor ich sie hereinhole, hätte ich noch eine Bitte.” Lorraine tupfte sich Tränen aus den Augenwinkeln. “Lassen Sie mir wenigstens ein Besuchsrecht.”
“Aber natürlich.” Reed sah sie verwundert an und fragte: “Dachten Sie denn wirklich, ich würde Ihnen das Kind wegnehmen, weil Emily nicht ehrlich zu mir war?”
“Ich könnte es auf jeden Fall verstehen.”
“Ja.” Reed zögerte. “Sagen wir, ich hätte allen Grund, böse darüber zu sein, dass Sie nicht früher zu mir gekommen sind. Aber ich bin froh, dass Sie es überhaupt getan haben. Und ich würde Ihnen Becca nie wegnehmen. Sie sind doch ihre Großmutter.”
Angie hatte sich aus dem Gespräch der beiden herausgehalten und öffnete die Tür, als im Flur ein Winseln zu hören war. Draußen saß Scratch mit seiner roten Fliege, und neben ihm stand ein kleines Mädchen, das sich daran festhielt.
Reed brachte kein Wort heraus und blickte einfach nur starr auf die Kleine, die seine Tochter sein musste. Als das Kind seine Großmutter entdeckte, rannte es auf sie zu. Lorraine nahm ihre Enkelin hoch, wandte sich mit ihr auf dem Arm Reed zu und sagte: “Sag Hallo zu deinem Dad.”
Wie würde Becca wohl reagieren? Reed war anzusehen, dass auch er schwer mit den Tränen zu kämpfen hatte. Für einen Moment schloss er die Augen, bevor er Becca wieder ansah und ihr die Arme entgegenstreckte. Doch als Lorraine Becca hinunterließ, zögerte das kleine Mädchen keine Sekunde und rannte sofort auf seinen Vater zu, der es überglücklich in die Arme schloss und ausgelassen herumschwenkte.
Wieder musste sich Lorraine eine Träne wegwischen, diesmal vor Rührung. Auch Angie war kurz davor, zu weinen. Aber sie freute sich für Reed, der noch gar nicht richtig fassen konnte, dass er tatsächlich eine Tochter hatte. Als wollte er sich davon überzeugen, dass die Kleine auch echt war, wickelte er sich immer wieder eine von ihren schwarzen Locken um die Finger und streichelte dem Kind dann ganz zärtlich die rosigen Wangen.
Angie beobachtete die beiden, bis Scratch zu ihr kam und sie mit der Schnauze stupste, zum Zeichen dafür, dass es nun an der Zeit war, Lebewohl zu sagen.
Für einen Moment trafen sich Reeds und Angies Blicke. Reed schien richtig selig zu sein, doch dann ging ihm auf, was Angies Blick zu bedeuten hatte.
“Angie, bitte …”
“Jetzt weiß ich wieder, wo ich Sie gesehen habe, Miss Makepeace”, fiel Lorraine ihm da ins Wort. “Aber ich dachte, Sie seien mit Emily ertrunken. In den Zeitungen stand doch …”
“Wie bitte?” Reed sah Lorraine entgeistert an.
“Ich spreche nicht gern über den Unfall.” Lorraine lächelte tapfer. “Emily wurde auf einem Kai mit Becca auf dem Arm angerempelt und fiel ins Wasser. Sie
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