Engel aus Eis
eingeschlagen …« Frans breitete die Arme aus. Vor Kjell brauchte er sich nicht zu rechtfertigen. Sie beide wussten doch, was getrennte Wege waren.
»Das ist nicht wahr. Ich weiß, dass du in der letzten Zeit Kontakt mit Erik hattest und dass Schwedens Freunde ein gewisses Interesse an den Brüdern Frankel hegten. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mir Notizen mache?« Demonstrativ legte Kjell einen Block auf den Tisch, führte den Stift zum Papier und sah seinen Vater herausfordernd an.
Frans zuckte mit den Achseln und machte eine gleichgültige Handbewegung. Er hatte keine Lust mehr auf dieses Spiel. Kjellhatte so viel Zorn in sich, und er selbst kannte diesen Zorn in- und auswendig. Es war sein eigener. Diese Wut, die ihn innerlich auffraß und die ihm so oft im Weg gestanden und so viel kaputtgemacht hatte. Der Sohn war anders mit ihr umgegangen. Natürlich verfolgte Frans, was Kjell in der Zeitung schrieb. Unzählige Persönlichkeiten aus der hiesigen Politik und Wirtschaft hatten Kjell Ringholms Zorn in gedruckter Form zu spüren bekommen. Eigentlich waren sie gar nicht so verschieden. Beide waren von ihrem Zorn getrieben. Deswegen hatte Frans sich auch bei seinem ersten Gefängnisaufenthalt unter den Insassen gleich zu Hause gefühlt, die mit den Nazis sympathisierten. Sie empfanden den gleichen Hass. Er war ihr Antrieb. Er konnte argumentieren und sich ausdrücken, Rhetorik hatte er bei seinem Vater von der Pike auf gelernt. Teil der Naziclique zu sein hatte ihm im Gefängnis einen gewissen Status und Macht verliehen, er war jemand. Seine Wut war von Vorteil, weil sie als Ausdruck von Stärke galt. Mit den Jahren war er in die Rolle hineingewachsen. Nun konnte man zwischen ihm und seinen Ansichten nicht mehr unterscheiden. Sie waren zu einer Einheit zusammengewachsen. Er hatte das Gefühl, dass es bei Kjell genauso war.
»Wo waren wir stehengeblieben?« Kjell blickte auf seinen leeren Notizblock. »Ach ja, zwischen dir und Erik ist es offensichtlich zu gewissen Kontakten gekommen.«
»Das hing mit unserer alten Freundschaft zusammen und hatte nichts zu bedeuten. Es hat auch nichts mit seinem Tod zu tun.«
»Das behauptest du, aber darüber werden andere entscheiden. Worum ging es denn bei der Kontaktaufnahme? Handelte es sich um eine Drohung?«
Frans schnaubte. »Ich weiß nicht, woher du diese Information hast, aber ich habe Erik Frankel nicht gedroht. Du hast oft genug über meine Gesinnungsgenossen berichtet, um zu wissen, dass es unter ihnen Hitzköpfe gibt, die nicht rational denken. Das wollte ich Erik nur mitteilen.«
»Deine Gesinnungsgenossen«, stieß Kjell mit einer Verachtung aus, die an Ekel grenzte. »Du meinst die rückwärtsgewandten Irren, die glauben, ihr könntet die Grenzen dichtmachen.«
»Nenn sie, wie du willst«, erwiderte Frans müde. »Aber ichhabe Erik Frankel nicht gedroht, und nun wäre ich dir dankbar, wenn du gehen würdest.«
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Kjell widersprechen, doch dann stand er auf, beugte sich über seinen Vater und durchbohrte ihn mit seinem Blick.
»Du warst kein besonders toller Vater, doch damit kann ich leben. Aber eins schwöre ich dir: Wenn du meinen Sohn da noch tiefer mit hineinziehst, dann …« Er ballte die Fäuste.
Frans hielt seinem Blick gelassen stand. »Ich habe deinen Sohn nirgendwo hineingezogen. Er ist alt genug, um sich selbst Gedanken zu machen, und trifft seine eigenen Entscheidungen.«
»So wie du?«, gab Kjell scharf zurück und stürmte hinaus, als könne er es nicht länger ertragen, mit seinem Vater in einem Raum zu sein.
Frans blieb mit klopfendem Herzen sitzen. Als er die Haustür ins Schloss fallen hörte, dachte er über Väter und Söhne nach. Und über die Entscheidungen, die für sie getroffen wurden.
»Hattet ihr ein schönes Wochenende?« Paula füllte Kaffeepulver in die Maschine. Ihre Frage richtete sich an Martin und Gösta. Beide gaben nicht mehr als ein finsteres Nicken von sich. Dem Phänomen Montagmorgen konnte keiner von ihnen etwas abgewinnen, und Martin hatte zu allem Übel das ganze Wochenende schlecht geschlafen.
In letzter Zeit lag er nachts oft wach und dachte an das Baby, das in wenigen Monaten kommen würde. Nicht, dass er keine Sehnsucht nach dem Kind gehabt hätte. Er freute sich wahnsinnig darauf. Aber es schien ihm erst jetzt allmählich klarzuwerden, wie groß die Verantwortung war. Dass da wirklich ein kleines Leben entstand, ein kleiner Mensch, den er beschützen und
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