Engel aus Eis
geredet, und das weißt du auch. Also sprich nicht in diesem Ton mit mir.«
»Ich sage, was ich will«, schrie Belinda. »Das ist mein Haus und nicht deins! Warum verschwindest du nicht einfach mit deinen Scheißkindern?«
Mit finsterem Blick machte Dan einen Schritt auf sie zu.
»So etwas sagst du nicht zu Anna! Sie wohnt jetzt auch hier. Genau wie Adrian und Emma. Falls dir das nicht passt …« Er hatte schon beim Beginn des Satzes gemerkt, dass dies das Dümmste war, was er in diesem Moment hätte sagen können.
»Nee, es passt mir echt nicht! Ich packe meine Sachen und fahre zu Mama! Und da bleibe ich auch! Bis die da mit ihren Kindern wieder ausgezogen ist!« Belinda machte auf dem Absatz kehrt und raste die Treppe hinauf. Dan und Anna zuckten erschrocken zusammen, als oben knallend die Tür zugeschlagen wurde.
»Vielleicht hat sie recht«, sagte Anna blass. »Vielleicht ging das alles zu schnell. Ich meine, sie hatte nicht viel Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, bevor wir uns in ihrem Leben breitgemacht haben.«
»Sie ist siebzehn Jahre alt, aber sie führt sich wie eine verdammte Fünfjährige auf.«
»Du musst Belinda auch verstehen. Es kann nicht leicht für sie sein. Sie war bei eurer Trennung in einem schwierigen Alter und …«
»Vielen Dank, jetzt fang du nicht auch noch an, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich weiß, dass die Scheidung meine Schuld war, das brauchst du mir nicht unter die Nase zu reiben.«
Schroff ging Dan an ihr vorbei auf die Straße. Zum zweiten Mal innerhalb einer Minute wurde in diesem Haus so laut eine Tür zugeknallt, dass die Fensterscheiben klirrten. Einen Moment lang blieb Anna reglos stehen. Dann sank sie weinend in sich zusammen.
Fjällbacka 1943
I ch habe gehört, dass die Deutschen endlich den Sohn von Frankels gefasst haben, diesen Axel.«
Mit einem zufriedenen Glucksen hängte Vilgot seinen Mantel auf und reichte Frans die Aktentasche. Der lehnte sie wie immer an einen bestimmten Stuhl im Flur.
»Es war wirklich an der Zeit. Was der getrieben hat, nenne ich Landesverrat. Ich weiß zwar, dass mir hier in Fjällbacka nicht viele zustimmen würden, aber die Leute sind wie Schafe, sie folgen der Herde und blöken auf Kommando. Solche wie ich, die zu eigenen Gedanken fähig sind, sehen die Wirklichkeit so, wie sie ist. Dieser Junge war ein Verräter, so wahr ich hier stehe. Hoffentlich machen sie kurzen Prozess mit ihm.«
Vilgot war in den Salon gegangen und hatte sich in seinem Lieblingssessel niedergelassen. Frans war ihm dicht auf den Fersen.
Vilgot blickte ihn herausfordernd an und sagte schlecht gelaunt: »Wo bleibt denn mein Schnaps? Bist du heute von der lahmen Truppe?«
Frans eilte zum Spirituosenschrank, um seinem Vater ein großes Glas einzuschenken. Dieses Ritual verband sie schon seit seiner Kindheit. Seine Mutter sah es zwar nicht gern, dass Frans in so jungen Jahren mit Alkohol hantierte, aber wie üblich konnte sie nichts dagegen machen.
»Setz dich, mein Junge.« Mit dem Glas in der Hand zeigte er großzügig auf den Sessel an seiner Seite. Als Frans sich setzte,roch er die übliche Fahne seines Vaters. Der Schnaps, den er ihm eingeschenkt hatte, war mit Sicherheit nicht sein erster heute.
»Dein Vater hat heute wunderbare Geschäfte gemacht.« Vilgot lehnte sich nach vorn, und der Geruch drang beißend in Frans’ Nase. »Ich habe einen Vertrag mit einer deutschen Firma unterschrieben. Einen Exklusivvertrag. Ich werde ihr einziger Lieferant in Schweden sein. Sie sagten, sie hätten Schwierigkeiten gehabt, Geschäftspartner zu finden … Tja, das kann ich mir vorstellen.« Vilgot gackerte laut, und sein dicker Bauch hüpfte auf und ab. Er kippte den Schnaps hinunter und hielt Frans das Glas hin. »Noch einen.« Seine Augen waren vom Alkohol glasig geworden. Frans’ Hand zitterte ein wenig, als er ihm das Glas abnahm. Sie zitterte noch immer, als er das klare Getränk mit dem scharfen Geruch einschenkte. Einige Tropfen gingen daneben.
»Nimm dir auch einen«, sagte Vilgot. Es klang wie ein Befehl. Frans stellte das volle Glas für seinen Vater ab und nahm sich selbst eins aus dem Schrank. Als er es bis zum Rand vollschenkte, zitterte seine Hand nicht mehr. Mit höchster Konzentration trug er die beiden vollen Gläser zu seinem Vater. Als Frans sich wieder gesetzt hatte, hob Vilgot sein Glas.
»Kopf in den Nacken!«
Frans spürte, wie die Flüssigkeit brennend durch seine Kehle bis in den Magen rann, wo sie sich wie ein
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