Engel aus Eis
warmer Klumpen sammelte. Sein Vater lächelte. Ein bisschen Schnaps war ihm über das Kinn gelaufen.
»Wo ist deine Mutter?«, fragte Vilgot leise.
Frans starrte auf einen Punkt an der Wand hinter seinem Vater. »Sie ist bei Großmutter und kommt erst spät wieder.« Seine Stimme klang dumpf und hohl. Als gehöre sie jemand anders.
»Fein. Dann können wir uns in Ruhe von Mann zu Mann unterhalten. Aber nimm dir noch einen.«
Als Frans zum Schrank ging, um sein Glas wieder vollzuschenken, spürte er den Blick seines Vaters im Rücken. Diesmal brachte er die Flasche gleich mit. Vilgot grinste anerkennend und hielt sein Glas hoch.
»Du bist ein guter Junge.«
Wieder spürte er das Brennen in seinem Hals, das sich in ein angenehmes Gefühl im Bauch verwandelte. Die Konturen ringsherum lösten sich allmählich auf. Er befand sich in einem Schwebezustand zwischen Traum und Wirklichkeit.
Vilgots Stimme wurde weicher. »Mit diesem Geschäft kann ich allein in den nächsten fünf Jahren Tausende wunderbare Reichstaler verdienen. Und wenn die Deutschen weiter aufrüsten, noch viel mehr. Dann könnten es Millionen werden. Sie haben mir versprochen, dass sie mich mit weiteren Unternehmen in Verbindung bringen, die unsere Dienste ebenfalls benötigen. Wenn ich erst mal einen Fuß in der Tür habe …« Vilgots Augen leuchteten im abendlichen Dämmerlicht. Er leckte sich die Lippen. »Wenn du einst in meine Fußstapfen trittst, wirst du eine herrliche Firma übernehmen, Frans.« Er beugte sich vor und legte seinem Sohn die Hand auf den Oberschenkel. »Eine herrliche Bewegung wird das. Eines Tages kannst du alle hier in Fjällbacka zum Teufel schicken. Wenn die Deutschen erst an der Macht sind, wenn wir hier herrschen und mehr Geld haben, als du dir je erträumt hast. Also trink noch einen mit deinem Vater und stoße mit ihm auf unsere strahlende Zukunft an.« Vilgot hob sein Glas und stieß es klirrend gegen das von Frans, das er eigenhändig bis zum Rand gefüllt hatte.
Wohlbefinden breitete sich in Frans aus. Er prostete seinem Vater zu.
G östa hatte gerade mit einer Runde Golf am Computer angefangen, als er auf dem Flur Mellbergs Schritte hörte. Schnell klickte er das Spiel wieder weg, öffnete stattdessen einen Bericht und machte ein hochkonzentriertes Gesicht. Mellberg kam immer näher, aber irgendwie klang er heute anders als sonst. Was gab er denn da für Klagelaute von sich? Neugierig rollte Gösta mit seinem Bürostuhl rückwärts und steckte den Kopf aus der Tür. Als Erstes erblickte er Ernst, der wie üblich mit hängender Zunge vor seinem Herrchen hertrottete. Dann erblickte er ein merkwürdig krummes Wesen, das sich mühsam durch den Gang schleppte. Es hatte zwar Ähnlichkeit mit Mellberg, sah aber irgendwie völlig anders aus.
»Was glotzt du so?«
Stimme und Tonfall gehörten definitiv seinem Chef.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Gösta. Nun kam auch Annika aus der Küche, wo sie gerade Maja fütterte.
Mellberg murmelte etwas Unverständliches.
»Verzeihung«, sagte Annika. »Was hast du gesagt? Wir haben dich nicht genau verstanden.«
Mellberg warf ihr einen wütenden Blick zu. »Ich habe Salsa getanzt. Noch Fragen?«
Gösta und Annika sahen sich verdutzt an. Dann mussten sie sich mit aller Gewalt zusammenreißen, um ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
»Und?«, brüllte Mellberg. »Witzige Kommentare dazu? Wermeldet sich freiwillig? In dieser Dienststelle gibt es nämlich noch viel Spielraum für Lohnkürzungen.« Knallend schlug er die Zimmertür hinter sich zu.
Sekundenlang starrten Annika und Gösta auf die geschlossene Tür, dann konnten sie nicht länger an sich halten. Beide lachten, dass ihnen die Tränen die Wangen hinunterliefen, bemühten sich aber, es so lautlos wie möglich zu tun. Gösta schlich sich zu Annika in die Küche, überzeugte sich, dass Mellbergs Tür wirklich geschlossen war, und flüsterte: »Habe ich das richtig verstanden? Er hat Salsa getanzt?«
»Ich fürchte, ja.« Annika wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab. Maja, die vor einem Teller saß, betrachtete die beiden fasziniert.
»Wie denn das? Und warum?«, fragte Gösta ungläubig. Allmählich zeichneten sich vor seinem inneren Auge Bilder des Spektakels ab.
»Ich höre jedenfalls zum ersten Mal davon.« Lachend schüttelte Annika den Kopf und setzte sich wieder hin, um Maja weiterzufüttern.
»Hast du gesehen, wie kaputt er war? Er sah aus wie dieser Typ in Herr der Ringe . Ich
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