Engel der Schatten - 02 - Emilia Jones
du nie so etwas angezogen.“
„Ich habe mich verändert.“
„Ja, das sehe ich.“
Sein Begehren schwang so überdeutlich in der Luft, dass Michelle übel wurde. Sie hatte gehofft, diesem Mann nie wieder zu begegnen. Nun trafen sie ausgerechnet im „Club Noir“ wieder zusammen.
„Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.“ Er kam ihr näher, streckte eine Hand nach
ihr aus.
„Ach, wirklich?“ Sie gab sich abweisend.
„Komm mit mir“, säuselte er verführerisch. „Du gehörst nicht hierher. Genauso wenig wie ich. Du weißt das.“
„So, weiß ich das?“ Etwas griff nach ihrem Herzen und quetschte es regelrecht zusammen. Sie spürte Schmerz und Hass in sich und eine unglaubliche Wut auf die gesamte Welt.
„Ich bin der Einzige, der dich glücklich machen kann. Warum wehrst du dich nur so dagegen? Willst du etwa nicht glücklich sein?“
Was sagte er da? Er könne sie glücklich machen? Was wusste er denn schon, wonach es ihr verlangte! Gar nichts! Nun geschah es doch, dass eine Träne aus ihren Augen trat und ihre Wange hinabkullerte.
Behutsam legte er seinen Arm um ihre Schultern. Er zog sie zu sich heran, bettete ihr Gesicht an seiner starken Brust.
„Meine Kleine.“ Seine Finger fuhren durch ihr Haar. Streichelten sie und gaben ihr ein Gefühl von Geborgenheit.
„Jetzt bist du ja wieder bei mir. Alles wird gut. Du wirst schon sehen.“
Alles sollte auf einmal wieder gut werden? Aber wie? Wie wollte er es schaffen, ihre zerstörte Seele zu heilen? Da war nichts als Verzweiflung in ihr. Das Leben, die Menschen und die Vampire hatten sie immer nur bestraft.
„Ich werde mich um dich kümmern. Vertrau mir.“
Vertrauen … Michelle seufzte. War sie überhaupt noch in der Lage dazu, Vertrauen zu entwickeln? Sie wusste es nicht. Aber sie wollte es! Es musste doch möglich sein, ein solches Verhältnis aufzubauen – und sich Thierry anzuvertrauen. In diesem Moment erinnerte sie sich nicht mehr daran, warum sie ihn jemals verlassen hatte. Er behandelte sie so voller Sanftmut. Genau das war es, wonach sie sich sehnte. Deshalb ging sie mit ihm.
***
Raoul beobachtete mit angespannter Miene, wie Michelle in den Armen eines anderen den Club verließ. Schon wieder der nächste Beste? Er kannte den Mann. Er
war Vanessas neues Spielzeug. Aber die Vampirin saß mit ihren Freundinnen in einer der Nischen und vergnügte sich mit anderen Männern.
Es missfiel Raoul, dass Michelle nicht alleine ging. Kurzerhand packte er seine blonde Freundin Marie um die Hüften, schob sie von seinem Schoß und stand auf.
„He!“, protestierte sie.
„Jetzt nicht!“ Ein finsterer Blick genügte, um sie zum Schweigen zu bringen.
Beleidigt lehnte sie sich in dem Stuhl zurück. Mit verschränkten Armen und Beinen brachte sie sich in eine trotzige Haltung. Aber es interessierte Raoul gar nicht, ob er sie beleidigt hatte. Er steuerte direkt auf Vanessa zu.
Die Vampirin roch seine aufschäumende Wut bereits, noch ehe er neben ihr auftauchte. Elegant drehte sie sich auf der Sitzbank in seine Richtung und schenkte ihm ein boshaftes Lächeln.
„Dein Spielzeug ist gerade mit Michelle verschwunden.“
„Falsch.“ Ihre Augen blitzten auf. „Deine Michelle ist gerade mit Thierry verschwunden.“
„Sie ist nicht ‚meine’ Michelle.“
„Ach, nein?“ Lässig bog sie den Kopf zurück. Sie langte mit einer Hand nach seinem Oberkörper und fühlte die harten Muskeln unter seinem Hemd. „Warum bringt es dich dann so in Rage?“
Er fauchte: „Du solltest solche Behauptungen lieber für dich behalten.“
„Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Sie sprang mit den Füßen auf die Sitzpolster. Ihre Finger verkrallten sich in seinem Hemd. Zischend lehnte sie sich vor und zeigte ihm die Zähne. Wie eine Raubkatze sah sie aus.
„Pass lieber auf dein Spielzeug auf, wenn du auch in Zukunft deinen Spaß damit haben willst.“
Er wand sich so schnell und geschickt aus ihrem Griff, dass sie beinahe den Halt verloren hätte. Sie vollführte eine ungelenke Vorwärtsbeuge und ging in die Knie, um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Mit einem wispernden Fluch bohrte sich ihr Blick in seinen Rücken.
***
Die Umgebung verschwamm. Wie eine Schlafwandlerin ließ sich Michelle von Thierry durch die Straßen führen. Sie wusste nicht, wo sie sich befanden – oder wohin sie eigentlich wollten. Erst als Thierry einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche zog, wurde ihr klar, dass sie nicht vor der Tür ihrer Wohnung
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