Engel der Schatten - 02 - Emilia Jones
er ihre Füße im Griff hatte und sie ebenfalls mit einem Lederband verknoten konnte.
Dann stand er über ihr. Die Peitsche ruhte bedrohlich in seinen Händen, und Michelle fürchtete bereits das Schlimmste. Sie wandte das Gesicht ab, kniff die Augen zusammen und wartete nur darauf, dass er zuschlug. Aber er lachte nur dreckig.
„Vielleicht sollte ich dir ein wenig Zeit lassen, um über dein Verhalten nachzudenken.“
Michelle hörte dumpf, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Sie atmete auf. Fürs
Erste war sie noch glimpflich davongekommen.
***
„Hier!“
Vanessa zeigte auf eines der Türschilder. In dem riesigen Gebäude gab es nur vier Wohnungen. Eine recht noble Gegend.
„Hast du ihm das finanziert?“, fragte Raoul spöttisch.
Sie zischte. „Noch so ein Spruch, und ich jage dir auf direktem Weg einen Holzpflock durch dein kümmerliches Herz!“
Er ging gar nicht weiter darauf ein, warf sich nur lächelnd gegen die Tür, die sich unter seinen enormen Kräften öffnete und polternd gegen die dahinterliegende Wand krachte.
„Nach dir.“ Mit einer übertriebenen Geste ließ er Vanessa den Vortritt.
„Zu freundlich.“
Sie wusste ganz genau, welches die Wohnung von Thierry war. Schließlich war sie es gewesen, die sie ausgesucht hatte.
„Sollten wir dieses Mal vielleicht lieber anklopfen?“, fragte sie scheinheilig.
„Tu, was du nicht lassen kannst.“
Also klopfte Vanessa energisch an und musste auch gar nicht lange warten, bis eine Stimme von drinnen ertönte.
„Wer ist da?“
„Wer wird hier wohl sein, du treuloser Versager?“, keifte Vanessa gegen das stumme Holz. „Was fällt dir ein, mich sitzen zu lassen? Mach sofort die Tür auf!“
Einen Moment herrschte Stille. Thierrys Zögern war offensichtlich. Er befand sich in einer Zwickmühle. Er wollte sie nicht hereinlassen. Doch er war sich auch bewusst, dass er die Vampirin nicht so einfach abwimmeln konnte.
Nach schier endlosen Sekunden ging die Tür einen Spalt breit auf. Thierry lugte nicht einmal hindurch, sondern versteckte sich dahinter.
„Vanessa ... ich ...“, stotterte er, „... ich bin krank. Tut mir leid. Aber wir können uns ja morgen wieder treffen.“
Ohne lange zu fackeln stieß Vanessa mit einer Hand die Tür auf und fand sich einem entsetzt drein blickenden Thierry gegenüber.
„Lüg mich nicht an, du Versager!“
Mit großen Augen nahm er die furchterregende Gestalt Raouls hinter der Vampirin war. Etwas Boshaftes lag in dessen Erscheinung. Thierrys Knie wurden weich vor Angst.
„Du hast doch eine andere hier.“ Vanessa stemmte die Hände in die Hüften. „Sag schon!“
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ganz bestimmt nicht.“
Raoul war das lächerliche Spiel leid. Er schob Vanessa zur Seite und packte Thierry am Kragen. Der Mann schrie panisch auf. Mit einem Satz wirbelte Raoul ihn herum, verdrehte ihm die Arme hinter dem Rücken und biss in seinen Hals.
„Genug!“, erklang Vanessas gebieterische Stimme hinter ihm. Sie fasste Raoul an der Schulter und zog ihn von Thierry weg.
„Ich hätte mein Spielzeug gerne lebend zurück.“
„Bitte!“
Raoul ließ von ihm ab. Angewidert spuckte er aus.
Thierry taumelte einige Schritte, bevor er kraftlos zusammensackte.
„Wo ist Michelle?“ Vanessas Stimme klang jetzt ganz sanft. Sie streichelte ihm dabei sogar liebevoll über das Haar.
„In der Kammer da.“ Zitternd streckte Thierry einen Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger in die entsprechende Richtung.
Raoul war nicht mehr zu halten. Er fühlte, wie sich eine ungemeine Spannung in ihm löste. Michelle! Sie war hier. Ganz in seiner Nähe. Endlich – endlich konnte er sie wieder berühren. Dass diese ganzen merkwürdigen Empfindungen wie wild in ihm rasten, war ihm mittlerweile egal. Er wusste nur noch, dass er diese Frau wollte. Ganz und gar.
Vanessa warf ihm einen abschätzenden Blick hinterher, bevor sie sich wieder Thierry widmete. „Hm ...“ Sie legte eine Hand unter ihr Kinn. „Welche Strafe wäre für dich wohl angemessen?“
***
Michelle zuckte zusammen, als die Tür erneut aufschwang. Sie wagte kaum zu ihrem Peiniger aufzusehen. Zu schrecklich waren die Vorstellungen, was er ihr nun antun könnte. Aber es passierte nichts.
Entgegen all ihrer Befürchtungen spürte sie plötzlich, wie die Fesseln an ihren Füßen mit zärtlichen Handgriffen entfernt wurden.
Sie sah auf.
„Du ...?“
„Ich denke, so ist es bequemer für dich.“
Endlich konnte sie ihre Beine
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