Engel der Schatten - 02 - Emilia Jones
wie Marie weckten seine
Aufmerksamkeit. Erregten ihn. Michelle hingegen gehörte nicht zu den Frauen, die ihn reizten.
„Was ist mit ihr?“
„Denkst du, du könntest sie verführen? Sie dazu bringen, dass sie sich dir freiwillig hingibt?“
„Kinderspiel!“
„Tatsächlich? Beweise es!“ Henry lehnte sich vor. Er starrte Raoul herausfordernd an. Seine Mundwinkel zuckten nervös. Das Verlangen nach Marie regte sich in ihm und die Hoffnung, sie bald berühren zu können. Zu spüren. Raoul musste sich nur auf diese Wette einlassen.
„Warum?“
„Also kannst du es nicht!“
„Natürlich!“ Raoul zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen. Was bildete sich dieser Henry eigentlich ein? Keine Frau würde seinem Charme widerstehen können!
„Wunderbar“, mischte sich nun Gérard ein. „Dann gehst du auf die Wette ein!“
Es war eine Feststellung, und Raoul machte keine Anstalten, sich dagegen zu wehren. Selbst, als Henry den Punkt mit der „freien Wahl an Mädchen“ erwähnte, blieb der Vampir gelassen. Er zögerte nicht, sich seiner Aufgabe zu stellen. Michelle verführen – nichts leichter als das! Er nahm noch einen kräftigen Schluck aus seinem Glas Rotwein, ehe er langsam und mit geschmeidigen Bewegungen auf Michelle zuging.
***
„Eine so schöne Frau sollte den Abend nicht alleine verbringen.“
Michelle erschrak. Sie sah auf und direkt in die dunklen Augen ihres Gegenübers. Für einen Moment stockte ihr der Atem. Beinahe wäre sie zu der Überzeugung gelangt, dass Andrew vor ihr stand. Doch als der Vampir sich nun im schwachen Schein der Innenbeleuchtung bewegte, traten fremde Konturen zum Vorschein. Zwar bestand eine gewisse Ähnlichkeit – aber es war definitiv nicht Andrew, der sich nun neben Michelle an den Tisch setzte.
Ernüchtert atmete sie aus.
„Sie finden bei mir nicht das, was Sie suchen.“
„Oh, und Sie wissen so genau, wonach ich suche?“
Raoul amüsierte die sture Kälte, mit der Michelle an ihm vorbeistarrte. Sein Blick richtete sich weiterhin auf sie. Durchdringend. Herausfordernd. Allein die Ahnung seines Atems auf ihrer Haut schien ihr die Kleider vom Leib zu pellen und sie vollkommen nackt dasitzen zu lassen.
Sogleich schoss Michelle die Schamesröte in die Wangen. Sie überschlug die Beine und verschränkte die Arme vor ihrem Oberkörper, als säße sie tatsächlich ohne einen Fetzen Stoff am Körper dort.
Raoul setzte eine geradezu unverschämte Miene auf. Er konnte ihre Gedanken spüren – und sie amüsierten ihn. Für ihn war es ein Spiel.
Michelle fühlte sich bedrängt. Sie wollte nichts mehr, als dass er sie wieder alleine ließ. Auf der Stelle!
„Verschwinden Sie von meinem Tisch!“, fuhr sie ihn bissig an. „Ich habe nichts, was ich Ihnen geben könnte.“
„Nur ein Gespräch.“
Plötzlich veränderten sich die arroganten Züge seines Gesichts. Sie wurden weich und entlockten seinem Mund ein wohlwollendes Lächeln. Michelle musste sich zwingen, ihn nicht unentwegt anzustarren. Er hatte etwas an sich. Einen gewissen Charme, der ihr die Knie weich werden ließ.
„Ein Gespräch?“
Sie schlang die Arme noch ein Stück mehr um ihren eigenen Oberkörper.
„Ich möchte Sie kennenlernen.“
„Warum? Hier laufen genug andere Mädchen rum, die nicht vorher reden wollen.“
Er lachte, und in seine dunklen Augen trat ein merkwürdiges Glitzern, von dem Michelle nicht hätte sagen können, ob es eher eine Bedrohung oder Belustigung widerspiegelte.
„Vielleicht möchte ICH vorher reden.“
„Das nehme ich Ihnen nicht ab.“
„Sie sind eine interessante Frau, wissen Sie das?“
Michelle zog die Nase kraus. Was wollte dieser verfluchte Vampir von ihr? Und
warum bemühte er sich so hartnäckig um sie? Sie sollte endgültig damit aufhören, den
Club zu besuchen, entschied sie für sich selbst. Das war ihr letzter Abend dort. Ganz sicher!
„Wissen Sie, was ich Ihnen jetzt sagen werde?“ Sie funkelte ihn böse an. „Es ist mir ganz egal, was Sie von mir wollen! Ich werde jetzt nämlich gehen, und dann können Sie eine andere mit ihrem sinnlosen Geschwätz belästigen!“
Schnell war sie aufgestanden und kehrte ihm schon den Rücken zu. Raoul hatte alle Mühe, sich zurückzuhalten. Er widerstand dem Impuls, sie an den Armen zu packen, herumzuwirbeln und dann ... Wie köstlich musste ihr wildes Blut schmecken!
Er schüttelte den Kopf. Welch verrückte Gedanken!
***
Noch bis auf die Straße hinaus spürte Michelle seine Blicke im Nacken.
Weitere Kostenlose Bücher