Engel der Schuld Roman
hergekommen, um dich auszunutzen.«
»Ach nein? Kennst du denn überhaupt noch den Unterschied? Du sagst mir, die vergangene Nacht hätte überhaupt nichts mit dem Fall zu tun, aber du drehst dich um und benutzt es gegen mich – in kaum verhohlenen Drohungen.«
»Das ist nicht wahr Du verdrehst das total.«
»Tue ich das? Laß mal sehen«, sagte sie mit schneidendem Sarkasmus. »Gestern nacht haben wir miteinander geschlafen. Heute gehe ich hin, um Zeugin der Hypnose meines Opfers zu sein. Und schon bist du wieder da, wegen ein bißchen Bettgeflüster, und du wirst bösartig, wenn ich nein sage. Was schließen wir daraus?«
»Einen Haufen Scheiße«, fauchte er, verärgert über ihre Einschätzung seines Charakters und wütend, weil er tief in seinem Herzen wußte, daß sie gar nicht so falsch lag. Er wollte wirklich wissen, was mit Josh passiert war. Er hätte versucht, sie darüber auszuhorchen. Aber er betrachtete es nicht als Teil des Prozesses, mit ihr ins Bett zu gehen, als Opfer im Namen seiner Aufgabe.
»Mein Gott, du bist auch nicht besser als diese Reporterin, die Steiger gefickt hat«, sagte sie angewidert.
»Ich prostituiere mich nicht für Informationen.« Jay machte einen Schritt auf sie zu und dann noch einen, drängte sie zurück, bis ein Ohrensessel im Weg stand. »Ich habe es schon einmal gesagt: Was zwischen uns passiert, bleibt zwischen uns. Vielleicht sind wir uns wegen dieses Falls begegnet, aber ich habe, verflucht noch mal, gestern nacht nicht an diesen Fall gedacht. Ich habe gedacht, wie heiß du bist, wie weich und wie fest du mich gepackt hast.«
Mit jedem Wort wurde seine Stimme leiser und weicher. Er kam ihr immer näher, bis sie fast Bauch an Bauch standen, Schenkel an Schenkel.
»Was wir gestern nacht hatten, hatte nichts mit dem Fall zu tun«, murmelte er. »Und das weißt du verdammt genau.«
Fast wünschte sie sich, daß es so war. Aber sie hatte keine Veranlassung zu selbstgerechter Entrüstung. Sie war eine erwachsene Frau, die eine Wahl getroffen hatte. Er hatte sie nicht verführt, er hatte sie gebraucht. Und sie hatte ihn gewollt. Und ein Teil von ihr begehrte ihn sogar jetzt.
»Du bist eine Frau, Ellen. Du bist nicht dieser Fall. Du kannst dich nicht einfach davon auffressen lassen. Wolltest du dem nicht entkommen?«
Ja. Aber wo sollte sie die Grenzen ziehen . . . und wo zog er die Grenze? Wo hörte der Fall auf, wo begann ihr Privatleben? Konnte man das je trennen, oder war es so hoffnungslos miteinander verstrickt wie alles andere in diesem Netz?
»Offenbar habe ich diesmal keine Wahl«, sagte sie traurig. »Ich bin einmal davor geflohen, aber diesmal ist das Böse zu mir gekommen, an diesen Ort. Costello ist hierhergekommen. Du. Die Medien.
Hannah hat sich an mich gewandt. Und Josh. Und die Leute, mit denen ich arbeite. Und die Leute, für die ich arbeite.« Sie rang sich ein Lächeln ab, ein kleines Lachen. »Ich bin umzin
gelt.«
»Ich bin nicht der Feind, Ellen.«
Nein, er war eine dieser mythischen Kreaturen – manchmal gut, manchmal schlecht, immer von Schatten umgeben und geheimnisvoll, seine Rolle unklar bis zum Ende der Geschichte.
»Du weißt, womit ich zu kämpfen habe«, sagte sie. »Es liegt an mir, diesen Leuten Gerechtigkeit zu verschaffen. Das ist der härteste Fall meiner Laufbahn. Und ich bin eingerostet. Und ich habe eine verfluchte Angst, daß dieser Schweinehund mich austricksen und freikommen könnte. Und du – du tauchst einfach vor meiner Tür auf, weil du Sex haben willst.«
»Ich bin gekommen, weil ich besorgt um dich war, Ellen«, sagte Jay stur. »Und ich werde nicht gehen.«
Sein eisenharter Ton ließ sie erstaunt die Augen aufreißen. »Wie bitte?«
»Mein Gott, Ellen. Jemand hat dein verdammtes Auto in die Luft gejagt. Du bist bedroht worden. Ein Wahnsinniger und seine Kumpel haben dich auf dem Kieker, und ein einfältiger Bulle parkt vor deinem Haus. Wenn ich hier reinkommen kann, ohne daß er es merkt, dann können die anderen das mit links. Ich gehe nicht. Ich will nicht, daß dir jemand etwas zuleide tut.«
Er wollte nicht, daß ihr jemand etwas zuleide tat, aber er selbst würde ihr schon weh tun. Er würde so oder so der Bösewicht sein. Er würde über diesen Fall schreiben, ihn zu Unterhaltungsliteratur verarbeiten, die man las und beiseite legte und in Flugzeugen vergaß. Er würde sie in eine Rolle pressen, wie Hannah, Josh, Mitch und Megan. Er würde sich hier nehmen, was er haben wollte, und dann abreisen. Er
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