Engel der Schuld Roman
Costello seinen Bockmist abzukaufen, wird Wright mehr als genug belastet, um ihm den Prozeß zu machen. Grabko hätte nie den Mumm, ihn laufenzulassen.«
Aber wieviel Nerven würde das kosten, fragte sich Ellen, solange die Presse all die Dinge hinausposaunte, die Garrett Wright nicht getan haben konnte? Er hätte Josh nicht nach Hause bringen können. Er hätte Dustin Holloman nicht entführen oder töten können. Das war jetzt das, worauf sich die Öffentlichkeit konzentrierte – das Monster, das frei herumlief. Grabkos Entscheidung sollte auf dem Gesetz basieren, aber er war auch nur ein Mensch, genauso empfänglich für Gerüchte und Druck wie jeder andere.
»Es ist ziemlich klar, zu welcher Richtung er tendiert«, sagte sie. »Ich habe, seit Perry Mason aus dem Programm genommen wurde, noch keinen Richter erlebt, der soviel Spielraum bei einer Vorverhandlung gibt. Tut mir leid, daß Costello Sie so hart angefaßt hat, Megan.«
Megan saß am Ende des Tisches. Sie sah klein und mitgenommen aus, als wenn sie sich durch die Tortur heute morgen in sich selbst zurückgezogen hätte. »Ich bin diejenige, die sich entschuldigen sollte«, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen. »Ich sollte es wirklich besser wissen und mich nicht von so einem Arschloch von Anwalt in Rage bringen lassen.«
Die Spannung in ihrer Stimme, ihrem Kinn, deutete auf einen Sturzbach von Gefühlen hin, der sich hinter den Mauern aufstaute, die Megan um sich errichtet hatte. Ellen hatte so etwas schon öfter erlebt. Cops waren lausige Opfer. Sie wollten von Natur aus immer alles hundertprozentig unter Kontrolle haben; Opfern wurde die Selbstbestimmung genommen, all ihr Stolz, ihre Würde.
»Es ist nicht Ihre Schuld, Megan«, sagte sie.
»Er hat mich aussehen lassen wie eine Irre, die alles sagen, alles tun würde, um eine Verhaftung auf ihre Erfolgsliste zu setzen.«
»Oder wie jemanden, der sich seiner Fakten verdammt sicher und darauf erpicht ist, einen schuldigen Mann zu verurteilen«, konterte Ellen. »Es ist alles eine Frage der Auffassung. Die Menschen sehen, was sie sehen wollen.«
»Wir wissen, was sie sehen wollen, wenn sie Wright ansehen«, sagte Megan. Keiner wollte glauben, daß ein Mann wie Garrett Wright zu Bösem fähig war. Und seit dem Tod von Dustin Holloman waren die Leute von Park County noch weniger gewillt, Wright als ihren Teufel anzusehen.
»Also müssen wir ihnen beweisen, daß sie sich irren«, sagte Ellen mit fester Stimme.
Megan nickte. »Ja, das müssen wir.«
32
»Die Verteidigung ruft Dr. Garrett Wright in den Zeugenstand«, verkündete Costello. Die Menge begann zu summen, ein Geräusch, das wie ein Wespenschwarm zur hohen alten Decke des Gerichtssaals aufstieg. Es war offenbar ein guter Schachzug, daß er sein As zuerst ausspielte, seinen Klienten der direkten Prüfung und dem Kreuzverhör aussetzte. Daß der Angeklagte überhaupt in den Zeugenstand kam, war höchst ungewöhnlich für eine Anhörung. Aber was an diesem Fall war schon gewöhnlich? Jay saß zurückgelehnt da, die Arme verschränkt, und dachte über die Strategie nach. Wenn Wright der Soziopath war, als den Ellen ihn darstellte, dann war er ein ausgekochter Lügner, ein Schauspieler in einer Rolle, die er genoß – der zurückhaltende Professor, der die öffentliche Sympathie verdiente.
Jay mußte zugeben, daß er so etwas schon öfter gesehen hatte. Ein Verstand, kalt wie arktisches Eis, mit Charme begabt und fähig, einen Mord zu begehen. Er hatte einmal einem solchen Mann gegenübergesessen, in einem Besucherabteil im Gefängnis von Angola, Louisiana, in einem höllenheißen Sommer. Ein angenehmer Mann, der zu allen aktuellen politischen Fragen etwas zu sagen hatte. Belesen, gescheit, mit scharfem, ironischem Witz. Ein Mann, der drei Truck-Stop-Kellnerinnen drei Monate lang als Sexsklavinnen gefangengehalten, sie dann zu Tode gefoltert und ihre Köpfe und Brüste für seinen privaten Trophäenraum präpariert hatte. D. Rodman Madsen, Handelsvertreter einer Bewässerungspumpenfirma, zweimal zum Vertreter des Jahres gewählt und Schatzmeister der hiesigen Elks Lodge. Ein Killer hinter einer gesellschaftlich akzeptablen Fassade. Keiner, der ihn kannte, hätte es je vermutet.
Garrett Wright ging in den Zeugenstand und sprach leise den Eid. Mit seinem blauen Anzug und der Regimentskrawatte war er der Inbegriff des jungen Karrieremenschen – attraktiv, konservativ, gebildet. Jay hörte praktisch die Räder in den Köpfen um sich herum
Weitere Kostenlose Bücher