Engel der Verdammten
vorbereitet.
Hier sollte ich vielleicht einfügen, dass die Welt, die hinter mir zurückblieb, sich noch ein ganz klein bisschen wahnsinniger gebärdete als gewöhnlich.
In den Nachrichtensendungen häuften sich Berichte über die Verhandlung eines schauerlichen Mordfalls, in der ein berühmter Sportler angeklagt wurde, seiner Frau die Kehle aufge-schlitzt zu haben; das war Unterhaltung allererster Güte und elektrisierte nicht nur die Nachrichtensendungen, sondern auch die Talk-Shows, und erst recht dieses seichte, dümmliche, kindische Bindeglied zur realen Welt, genannt U! wie Unterhaltung.
In Oklahoma City war ein Verwaltungsgebäude in die Luft ge-jagt worden - und nicht etwa von ausländischen Terroristen, sondern, so die Vermutung, von Amerikanern - unseren Landsleuten. Mitglieder einer Milizbewegung nannte man sie, die die Regierung als den gefährlichsten aller Feinde betrachtete. Zwar hatten die Hippies das schon vor Jahren ebenso gesehen, nur dass die sich, genau wie die Protestler gegen den Vietnamkrieg, friedlich auf Eisenbahngleise gelegt hatten oder singend in geschlossenen Reihen durch die Gegend gezogen waren. Doch diese kahl geschorenen militanten Typen, die sich da gefunden hatten - erfüllt von Untergangsfanta-sien -, töteten ihre eigenen Mitbürger zu Hunderten.
Und dann diese Kämpfe in anderen Ländern, die nachgerade zu einem Spektakel ausgeartet waren. Es verging nicht ein Tag, ohne dass man an die Scheußlichkeiten erinnert wurde, die sich zwischen den Bosniern und den Serben auf dem Balkan abspielten - einer Region, die sich schon seit Jahrhunderten immer wieder aus dem einen oder anderen Grund im Kriegszustand befand. Ich hatte die Übersicht darüber verloren, wer moslemischer, christlicher, russischer Freund oder Verbündeter war. Seit Jahren war der Name Sarajewo ein ge-flügeltes Wort für die Amerikaner, die vor ihren Bildschirmen saßen. In den Straßen dieser Stadt starben täglich Menschen, darunter auch Männer, die zum UNO-Friedenscorps gehörten.
In den afrikanischen Staaten schmachteten ganze Völker als Ergebnis von Bürgerkriegen und Hungersnöten. Die Bilder hungernder afrikanischer Babys mit aufgedunsenen Bäuchen auf dem Bildschirm zu sehen, war so normal wie die Bierre-klame.
Juden und Araber bekämpften sich in den Straßen Jerusalems, Bomben explodierten; wer Protest anmeldete, wurde von den Soldaten erschossen, und Terroristen exekutierten unschuldige Menschen, um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
In der Ukraine bekriegte der Reststaat der in Auflösung begriffenen Sowjetunion ein Bergvolk, das bisher noch keiner ausländischen Macht nachgegeben hatte. Dort in Schnee und Kälte starben Menschen aus Gründen, die kaum nachvollzieh-bar waren.
Alles in allem konnte man sagen, dass an Dutzenden von Orten das Leid wütete, dass gekämpft, gestorben und das alles auch noch gefilmt wurde, während die Parlamente der Welt vergebens versuchten, friedliche Lösungen zu finden. Das Jahrzehnt war eine Hochzeit des Krieges.
Dann kam der Tod Esther Belkins, auf den der Skandal um den »Tempel vom Geiste Gottes« folgte. In abgelegenen Nie-derlassungen der Sekte waren Waffendepots entdeckt worden - Berge von Sprengstoff und Giftgas, getarnt in Hospitä-
lern von New Jersey bis Libyen. Der große Lehrmeister dieser allgemein beliebten internationalen Sekte - Gregory Belkin -
war wahnsinnig.
Wahnsinnige mit großen Träumen hatte es auch schon vor Gregory Belkin gegeben, jedoch mit weit geringeren Geldmit-teln versehen. Jim Jones z.B., der mitsamt seinem »Tempel des Volkes« Massenselbstmord im Dschungel von Guayana beging. David Koresh hielt sich für Christus; er verbarrikadierte sich mit einem Teil seiner Anhänger auf einem Gelände in Waco, Texas, wo sie alle in einem Kugelhagel und Feuersturm untergingen. Der Anführer einer japanischen Sekte war erst vor kurzem angeklagt worden, in den U-Bahnen des Landes unschuldige Mitbürger vergiftet zu haben.
Und die Mitglieder einer Sekte mit dem schönen Namen
»Tempel der Sonne« hatten vor einiger Zeit gleichzeitig an drei verschiedenen Orten in Kanada und der Schweiz Massenselbstmorde inszeniert.
Eine allseits bekannte Persönlichkeit hatte als Gast einer Talkshow den Zuschauern Instruktionen für ein Attentat auf den Präsidenten gegeben.
In einem afrikanischen Staat wütete erst kürzlich ein tödliches Virus, das, als die dadurch hervorgerufenen Erkrankungen abflauten, die Weltöffentlichkeit mit der
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