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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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war. Die Felsen waren grau und hellbraun und sahen aus wie ein frostiges Aquarell in einem Wartezimmer. Die Farbe des Himmel hatte ein dunkleres Grau angenommen, und Wolken hingen wie weißes Moos auf den Bergen und bis in die Täler hinein. Das Einzige, was den Blick anzog, war die Straße.
    Zandt sah immer wieder auf die Uhr. Nach weiteren zehn Meilen fuhr er langsamer und spähte seitwärts. Schließlich entdeckte er, wonach er gesucht hatte.
    »Näher heran kommen wir nicht.« Er verließ die Teerstraße und bog auf einen unbefestigten Weg ab, den ich gar nicht bemerkt hatte. Wir holperten einen Berghang hinunter und dann den Hang unterhalb einer Felsnase wieder hinauf. Es sah so aus, als wäre hier schon lange niemand mehr hergekommen. Nach einer halben Meile stieg das Gelände steil an, und ich klammerte mich mit beiden Händen an meinen Sitz.
    Zandt prüfte, ob wir von der Straße aus nicht zu sehen waren, und hielt den Wagen an. Er stieg aus, ich folgte. Draußen war es sehr still.
    Ich schaute mich um. »Sind wir da?«
    »Nein. Den restlichen Weg müssen wir zu Fuß gehen.«
    »War nie ein großer Wandervogel.«
    »Wundert mich nicht.« Er holte aus seiner Jacke etwas hervor, das wie ein elektronischer Terminplaner aussah. Obendrauf saß eine dicke Kugel.
    » GPS ?«
    Er nickte. »Schließlich wollen wir den Weg zurück finden.«
    Er gab die Position des Wagens in das Navigationsgerät ein und deutete dann auf die Anhöhe. Der Anblick war der gleiche, den wir schon den ganzen Nachmittag hatten, außer dass es jetzt keine Straße mehr gab. »Also los.«
    Wir folgten der Fahrspur, bis sie sich auf dem Bergrücken verlief, und gingen dann weiter in unmarkiertes Gelände. Hinter dem Berg kam ein weiterer, dessen Hang zu einer kleinen Schlucht abfiel. Wir suchten uns durch den Nebel einen Weg nach unten und stiegen auf der anderen Seite wieder bergan. Dann ging es eine ganze Weile auf ebenem Gelände weiter. Bäume gab es hier nicht, der Boden war hart und steinig und nackt, abgesehen von ein paar gelblichen Grasbüscheln und niedrigem Gestrüpp. Das Geräusch beim Gehen hörte sich an, wie wenn man Kräcker mit geschlossenem Mund isst.
    Zandt trat gegen eine Pflanze. »Was ist das für Zeug?«
    »Beifuß, wenn ich mich nicht irre. Aber ehrlich gesagt kenne ich mich mit der Flora der Hochebene nicht aus.«
    »Verdammt nervtötend, da durchzugehen.«
    »Ganz meine Meinung.«
    Wir marschierten weiter, während sich die Wolken oben immer mehr zusammenzogen. Bald konnten wir nicht mehr als dreißig Schritt weit sehen. John warf hin und wieder einen Blick auf sein Navigationsgerät, aber man hatte nicht den Eindruck, dass es in dieser Gegend überhaupt so etwas wie Ziele geben könnte. Es war trocken und kalt, nicht schneidend kalt, aber die Kälte hatte einen so fest im Griff, dass man kaum an etwas anderes denken konnte. Ich versuchte mir ohne viel Erfolg vorzustellen, wie die Menschen früher hier draußen gelebt hatten. Das musste schon lange her sein. Die Natur sah so aus, als würde es von niemandem mehr gestört.
    Nach einer Weile schaute ich auf die Uhr. Es war nach vier Uhr nachmittags, und das Licht wurde schon schwächer. Ein tückischer Wind erhob sich. Die Sonne stand wie eine Silbermünze im diesigen Himmel und verlor allen Glanz.
    »Ich weiß«, sagte John, ehe ich überhaupt den Mund aufgemacht hatte. »Das Kreuz auf der Landkarte ist alles, was ich habe. Wir sind jetzt da, mehr oder weniger.«
    »Wir sind nirgendwo«, widersprach ich. »Ich bin noch nie in meinem Leben an einem Ort gewesen, der so verlassen aussah.«
    Wir gingen trotzdem weiter. Der Nebel wurde immer dichter, ein graues Tuch, das hin und wieder plötzlich aufriss. Durch die Risse brachen Sonnenstrahlen und erfüllten alles mit goldenem Licht. Wir gingen auf einem Bergrücken entlang, etwa zehn Schritte rechts von uns eine Erhebung, die wie eine graugrüne Sanddüne aussah; links von uns verlief der Rand einer Schlucht.
    Wir schienen nicht viel weiter zu kommen, aber ich sagte trotzdem nichts. Schließlich wurde ich nirgendwo sonst erwartet.
    Dann hielt John plötzlich an.
    »Das war ein Schuss in den Ofen«, meldete er. Er zog eine saure Miene. Ich machte ihm keinen Vorwurf, aber er kam mir nervös vor, eine innere Wut nagte an ihm und ließ ihm keine Ruhe. Die dunklen Ringe unter seinen Augen zeugten nicht von gutem Schlaf. Ich hoffte, sein Informant würde so viel Verstand haben, nicht so rasch wieder in die Bar in South Dakota

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