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Engel des Vergessens - Roman

Engel des Vergessens - Roman

Titel: Engel des Vergessens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallstein Verlag
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Schwarmbienen nützlich machen wollte, von mehreren Bienen gestochen und fällt in Ohnmacht. Mein kleiner Bruder und ich stehen erschrocken neben der am Boden liegenden Mutter. Vater hat ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt und richtet sie langsam auf, bis sie wieder das Bewusstsein erlangt und sich erbricht. Von diesem Tag an hat Mutter große Angst vor den Bienen, und auch ich kann meinen Argwohn nur schwer überwinden.
    Was man herausgefordert hat, muss man ertragen, sagt Mutter, nachdem ich leichtfertig die Flugwege der Bienen gekreuzt habe.
    Diesmal helfe ich Vater beim Honigschleudern. Er hat alle Honigwaben, die Bäuche bekommen haben, in die Schleuderkammer gebracht und begonnen, mit einer breiten Gabel die oberste Wachsschicht von den Waben zu entfernen. Das zusammengeschobene Wachs streift er am Rand einer mit Blumenmotiven bemalten Tonschüssel ab, die nur für die Honigernte verwendet wird. Ich nehme ein paar Wachsteilchen in den Mund und kaue so lange auf ihnen herum, bis ich die Honigreste ausgelutscht habe. Bricht beim Schälen ein kleines Stück Wabe aus dem Rähmchen, reicht Vater es mir, damit ich das triefende Wabenstück in den Mund nehme. Wie ein klebriger Lichtbrei strömt der Honig über meinen Gaumen und erfüllt mich mit Entzücken.
    Vater stellt die geschälten Waben, in denen der Honig nun sichtbar wie eine geschmeidige Harzflüssigkeit stockt, in die Schleuder und beginnt an der Kurbel zu drehen. Sobald der Honig zu fließen beginnt und Vater zum Lob seiner Farbe ansetzt, kommt Großmutter wieder ins Bienenhaus. Sie zückt das braune Büchlein und beginnt die Anzahl der Liter pro Bienenstock zu schätzen und zu notieren.
    Nach dem Schleudern trete ich ins vordere Bienenhaus, in dem ein paar Arbeiterinnen wild herumfliegen. Meine Finger sind klebrig und feucht. Die Bienen werfen sich plötzlich auf mich, und noch während ich versuche, sie aus meinen Haaren zu vertreiben, spüre ich die Stiche auf der Kopfhaut, die sich vor Schmerz zusammenzieht wie nach einem stumpfen Aufprall. Ich beginne zu schreien und hoffe, nicht ohnmächtig zu werden. Vater und Großmutter eilen herbei und reden auf mich ein, aber der Schmerz, der nunmehr den ganzen Körper überzieht, ist stärker als jedes noch so beschwörende Wort.
    Meine Augenlider sind geschwollen von Tränen und Bienenstichen, als ich aufhöre zu weinen. Der Schädel ist überzogen mit schmerzenden Beulen, die sich unter meinen Haaren abzeichnen. Großmutter hat mir zum Trost eine Flasche mit Milchkakao auf den Tisch gestellt und legt mir kalte Umschläge auf Stirn und Schläfen. Als ich die Flasche zum Mund führe, tritt Michi, ein Cousin meines Vaters, in die Küche. Das große Mädchen trinkt noch aus der Flasche, das kann doch nicht wahr sein, sagt er vorwurfsvoll. In seinen Vorwurf mischt sich so viel Erstaunen, dass ich trotz meiner misslichen Lage begreife, dass ich mich alsbald dem Alter entsprechend mit einer Tasse begnügen sollte. Lass sie doch, sagt Großmutter, sie ist von Bienen gestochen worden. Dann zeigt sie Michi die Einstichstellen, indem sie meine Haare Schicht für Schicht auseinanderzieht, als würde sie Karteikarten ordnen. Michi setzt sich zu uns auf die Küchenbank und streicht tröstend über meine brennenden Wangen.
    * * *

Mutter übt mit mir das Aufsagen slowenischer Gedichte, die ich für die Schule auswendig lernen muss. Sie sagt, das machen wir gemeinsam, ich lerne mit dir! Während sie bügelt, lese ich aus den Gedichtbüchern und Schulbüchern vor. Wir lassen zu zweit die Blumen wachsen, krähen mit den Hähnen und läuten mit den Kirchenglocken. Wir quacken mit den Fröschen und singen Tralala und Hopsasa auf ihren Hochzeiten. Wir lachen mit den Raben die Vogelscheuchen aus, lassen Seifenblasen emporsteigen wie Sonne, Erde und Mond, die ohne Räder kreisen und ohne Flügel fliegen. Wir verladen den Frühling mit seinen Blumengirlanden auf ein Schiff und segeln mit ihm in die Ferne. Wir sitzen stundenlang in den Sprachwiesen und reden im Rhythmus der Reime. Wir kommen zur Erkenntnis, dass die Natur mit Versen behängt werden müsste und die Blumen zu Kränzen geflochten werden sollten. Reime lassen uns von Strophe zu Strophe springen wie Schmetterlinge von Blumenkelch zu Blumenkelch, ohne Angst davor, abzustürzen. Sie bringen alles an ein gutes Ende, sie verwandeln Weinen in Lachen und Schweigen in Schwelgen. Was vertrocknet war, wird wieder erblühen, was erstarrt war, wird tanzen können. Wir glauben,

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