Engel für den Duke
in ein frühes Grab gebracht.
Royal starrte auf den Sarg, und für einen Moment verschwand alles vor seinen Augen hinter einem Schleier von Tränen. Sein Vater war fort. Der sechste Duke of Bransford war friedlich eingeschlafen, zwei Stunden nach der Ankunft seines mittleren Sohnes.
Reese und der Duke waren kurz zusammen gewesen, und ein weiteres Versprechen war gegeben worden. Sobald seine zwölf Pflichtjahre beim Militär abgeleistet waren, würde Reese den Dienst quittieren und nach Wiltshire zurückkehren. Er würde das Anwesen in Briarwood übernehmen, das er von ihrem Großvater mütterlicherseits geerbt hatte. Er würde die Ländereien bewirtschaften und sich dort eine Existenz aufbauen.
Reese war der eigensinnigste der drei Söhne des Dukes, er genoss seine Freiheit, sein Leben beim Militär und seine Reisen. Nichts wünschte er sich weniger, als an ein Stück Land gefesselt zu sein, das er als Gefängnis ansah. Aber am Ende hatte er sich damit einverstanden erklärt, als er erlebte, wie vor seinen Augen das Leben aus seinem Vater wich.
Rule, der Wildeste und am wenigsten Verantwortungsbewusste, hatte sein Versprechen schon gegeben, ehe Royal eingetroffen war. Der Duke hatte geglaubt, dass eine Verbindung mit den Amerikanern im besten Interesse der Familie war. Sein jüngster Sohn hatte gelobt zu tun, was immer nötig war, damit diese Verbindung zustande kam.
Die Worte des Pastors durchdrangen Royals Gedanken, lenkten sie ab von den Ereignissen der vergangenen Wochen und wieder hin zu dem, was über dem offenen Sarg seines Vaters gesagt worden war.
Ein scharfer Wind zerrte an seinem langen wollenen Umhang und schnitt durch seinen schweren schwarzen Frack und die dunkelgraue Hose, als er am Grab stand. Neben ihm stand Reese in seiner rot-weißen Ausgehuniform eines Majors der britischen Kavallerie. Der Wind zauste sein dichtes schwarzes Haar. Von den drei Brüdern wirkte er am ernsthaftesten, sein Gesicht zeigte Spuren des harten Lebens, das er führte.
Royal sah hinüber zu seinem jüngsten Bruder. Rule war ein unerwarteter Nachkömmling gewesen, er wurde beinahe sechs Jahre nach Reese geboren. Da war ihre Mutter schon krank gewesen, und man hatte ihr geraten, keine weiteren Kinder zu bekommen. Tatsächlich starb Amanda Dewar im Kindbett und überließ Rule damit der zweifelhaften Fürsorge einer Amme, seiner beiden Brüder und eines Vaters, der oftmals zu viel trank, um seinen Kummer zu betäuben, oder sich in seinem Arbeitszimmer versteckte.
Rule hatte das überlebt und war der Kühnste der drei geworden. Er stand in dem Ruf, ein Schürzenjäger zu sein, und er trug diesen Titel mit Stolz. Er liebte die Damen, und er schien es sich zum Ziel gesetzt zu haben, mit so vielen wie möglich das Bett zu teilen.
Beinahe hätte Royal gelächelt. Über seine eigene Zukunft war bereits entschieden. Er würde eine Frau namens Jocelyn Caulfield heiraten. Eine Frau, die er noch nicht kannte. Zurzeit hielt sie sich im Ausland auf und genoss eine Europareise mit ihrer Mutter. Royal war froh darüber.
Für seinen Vater würde es ein Trauerjahr geben. Zeit genug, um den Termin für eine Hochzeit festzulegen.
Bis dahin verfügte er über eigenes Geld, die Einnahmen von Sugar Reef, genug, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, wenn auch nicht genug, um das Vermögen wiederaufzubauen, das sein Vater verloren hatte.
Mit der Zeit würde ihm das gelingen, das nahm sich Royal fest vor. Er würde erst ruhen, wenn es geschafft war.
Bis dahin würde er herausfinden, was er mit seinen neuen Aufgaben als Duke tun könnte, wo er investieren, wie er die Investitionen seines Vaters verbessern und wieder gewinnbringend anlegen konnte.
Wie sein Vater gesagt hatte: Es würde nicht leicht werden.
Royal schwor sich, bis zu dem Zeitpunkt seiner Heirat zu wissen, wie er das Geld aus dieser von seinem Vater arrangierten Ehe am sinnvollsten einsetzen konnte.
2. KAPITEL
London, England. Ein Jahr später.
J ocelyn Caulfield stand vor dem Spiegel in ihrem Schlafgemach, von dessen Fenster aus man den Garten in Meadowbrook überblicken konnte. Der stolze Familiensitz lag am Rande von Mayfair, einem Stadtteil mit neuen, großen Häusern. Sie war in Korsett, Chemise und Unterhose gekleidet, alles ebenso rüschenbesetzt wie die seidenen Vorhänge ihres Himmelbetts und die Gardinen an ihren Fenstern, und betrachtete ihre kurvenreiche Figur.
„Ich hoffe, ich nehme nicht zu.“ Sie presste die Hände gegen die Stäbchen aus Fischbein, die
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