Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
erlebt! Es gab sogar einen Heuschober, in dem wir bei Geburtstagsfesten Süßigkeiten versteckten. Mein Vater zog in seiner Freizeit Gemüse – in zahllosen Reihen wuchs dort alles, was man sich nur denken konnte; auch Erbsen, deren Schoten wir Kinder immer mit Vergnügen knallen ließen. Zusätzlich legte er riesengroße Erdbeerbeete an.
Damals waren wir fünf Kinder: Ich hatte drei jüngere Geschwister, meinen Bruder Barry, noch ein Baby, sowie
Helen und Aoife, und meine ältere Schwester Emer. Doch ich spielte selten mit ihnen, eigentlich nur bei Geburtstagsfesten und ähnlichen Gelegenheiten. Ich denke, das lag wohl an unseren unterschiedlichen Interessen, ich betrachtete die Welt einfach mit anderen Augen als sie.
Zunächst verlief mein Leben in Ballymun ein bisschen einsam, doch schon bald gewann ich neue Freunde. Ich lernte ein kleines Mädchen kennen, Rosaleen, das jenseits der langen Mauer an der Gartenrückseite wohnte. Es war ein wunderbarer großer Wall, der über die gesamte Straßenlänge verlief und alle Gärten nach hinten begrenzte. Mein Vater baute uns eine Leiter, damit wir darüberklettern konnten, ohne dabei unsere Schuhe zu ruinieren. Massiv und breit, wie sie war, eignete sich die Mauer auch sehr gut zum Entlanglaufen, auf diese Weise bewegten wir uns sicher von Haus zu Haus oder zu den unten gelegenen Feldern. Ich liebte die Mauer und alles, was ich von dort oben aus sehen konnte.
Rosaleen wurde meine beste Freundin. Sie lebte jenseits der Mauer, etwa sechs Häuser weiter, in einer großen Nobelvilla, und für gewöhnlich nahmen wir den Weg zueinander über die Mauer, anstatt erst lange außen herum zu laufen. Auch sie kam aus einer kinderreichen Familie, doch waren die meisten Geschwister schon erwachsen und lebten nicht mehr zu Hause. Deshalb kannte ich nur ihre jüngere Schwester Caroline und ihren acht Jahre älteren Bruder Michael. Rosaleen war groß und dünn, ihr Haar dunkel, glatt und lang; sie besaß ein fröhliches Wesen und lachte gerne. Ich verbrachte viel Zeit mit ihr und bei ihrer Familie, deutlich mehr als mit meinen eigenen Leuten.
Rosaleens Vater war Deutscher, ein großer, stattlicher Mann, dessen dunkles Haar zu ergrauen begann. Er war geschäftlich viel unterwegs, doch wenn er heimkam, ging er sehr liebevoll mit Rosaleen und ihren Geschwistern um – und auch mit mir. Sonntags kaufte er seinen Kindern immer kleine Tüten mit Süßigkeiten, und ich
war hocherfreut und stolz, dass er mich dabei mit einbezog – so wie er es bei allem tat. In solch einer Tüte mochten gerade mal sechs bis acht Bonbons gewesen sein, doch sie schmeckten phantastisch und ich versuchte, den Genuss nach Kräften in die Länge zu ziehen.
Und noch einen weiteren Sonntagsbrauch bei Rosaleens Familie liebte ich sehr: wenn ihre Mutter uns eine Geschichte vorlas. Dazu versammelten wir uns alle in ihrem Schlafzimmer und nahmen auf dem Bett Platz, meist nur Rosaleen, Caroline und ich, doch gelegentlich gesellten sich Michael oder eine meiner Schwestern dazu. Rosaleens Mutter war eine wundervolle Geschichten-Vorleserin und wir saßen da und lauschten mit Entzücken, bis sie uns nach ungefähr einer Stunde wieder zum Spielen schickte. Manchmal nahm sie sich ein sehr dickes Buch vor und es dauerte Wochen, bis wir damit durch waren. Eines meiner Lieblingsbücher war Ein geheimer Garten von Frances Hodgson Burnett, die auch Der kleine Lord geschrieben hat.
In unserem Garten stand eine große Holzschaukel, mit der man richtig hoch ausschwingen konnte. Ich verbrachte Stunden auf dieser Schaukel, wiegte mich hin und her, während die Engel mich eine Menge einfache Dinge über das Leben lehrten. Oftmals saß nur mein physischer Körper auf dem Brett, ich selbst befand mich in einer anderen Welt und die Engel zeigten mir wundervolle, wirklich magische Dinge.
Wenn ich so vor mich hinschaukelte und niemand in der Nähe war, konnte es geschehen, dass einer der Engel zu mir sagte: »Lorna, komm, streck deine Hand aus, wir möchten dir etwas zeigen.« Dann legte er irgendetwas Winzigkleines in meine Hand. Sobald das Etwas meine Handfläche berührte, begann es, eine Lichtgestalt anzunehmen. Manchmal glich es zunächst einem kleinen Stern oder einem Gänseblümchen, fing dann aber an zu wachsen, als erwachte es zum Leben. Während es immer größer wurde, trat zugleich ein Leuchten daraus hervor,
ein strahlend gelbes Licht. Das Licht hob ab von meiner Hand und bewegte sich aufwärts, erstrahlte dabei immer heller,
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