Engel küssen besser
“Vergessen Sie einfach, dass ich es überhaupt erwähnt habe, Sam. Wirklich. Es war nur ein Gedanke. Ich hätte wahrscheinlich eher warten müssen, bis Sie die Sprache darauf bringen.”
Die Sprache darauf zu bringen war nicht das Problem. Sie war sich offensichtlich nicht ihrer faszinierenden Wirkung bewusst, und er hatte bestimmt nicht vor, sie ihr zu erklären. Also stand er wortlos da und beobachtete, wie sie nervös mit den Fingern an ihrer Weste spielte und den mittleren Knopf auf- und zumachte.
“Ehrlich, Sam. Vergessen Sie es bitte. Ich werde es auch tun. Ich muss diese Erfahrung nicht mit Ihnen machen. Und es gibt auch überhaupt keinen Grund, warum ich ausgerechnet mit Ihnen …”
Sie verstummte und hüllte sich in unterwürfiges Schweigen. Mit einem Finger hob er ihr Kinn an. Das Licht, das auf sie fiel, beleuchtete die Wimpern ihrer geschlossenen Augen. “Was …”, fragte er sanft, “wollen Sie? Mich?”
Mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken schlug sie die Augen auf, sah ihm in die seinen – und er gab seinen Widerstand auf. Ihre Lippen waren feucht und leicht geöffnet, ihr Atem war eine warme Einladung, und in ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von Verlangen und freudiger Erwartung. Himmel, er war schließlich auch nur ein Mann. Sam neigte den Kopf, näherte sich ihren Lippen, und schon bei der ersten Berührung, dem ersten elektrisierenden Kontakt, fragte er sich, warum er sich dagegen gewehrt hatte.
Gloria war keine Bedrohung für ihn. Sie war warm, willig … und sie war hier. Es wäre sicherlich falsch, ihre Unschuld auszunutzen, ihr Angebot ernsthaft in Betracht zu ziehen, aber ein Kuss würde ihn bestimmt nicht auf immer verdammen. Nur einen Moment, ein paar wenige harmlose Minuten, um ihn daran zu erinnern, dass er noch lebendig war. Und das Vergnügen war ja auch nicht nur auf seiner Seite. Ihre vollen Lippen erwiderten seine Leidenschaft, und sie schien diese Berührung mit jeder Faser ihres Körpers zu genießen. Sie ließ die Hände über seine Brust wandern, die überall ein Gefühl der Wärme und der Begierde hinterließen. Sie strich mit den Daumen durch die Aushöhlungen am Schlüsselbein und löste damit auf seiner Haut die herrlichsten Empfindungen aus. Er konnte nur noch einen zusammenhängenden Gedanken fassen: Wenn sie so weitermachte, würde er für immer davonschweben. Er antwortete ihr, indem er sie in die Arme nahm und ganz fest hielt, damit sie ihn auf seinem Flug begleiten konnte.
Das Gefühl, sie in den Armen zu halten, war auf seltsame Art unwirklich, aber die Lebendigkeit ihrer Lippen war atemberaubend real. Wie in einem Traum hatte er widersprüchliche Wahrnehmungen – seine Fantasie knüpfte an sehr wache fassbare Eindrücke an. Aber Gloria war kein Traum. Und das Verlangen, das durch ihren Körper strömte und von seinem Körper befriedigt werden wollte, war keine Einbildung. Er hätte nie gedacht, dass er zu solchen Empfindungen fähig war, hatte es schon gar nicht für möglich gehalten, dass in seinem Herzen neben Jenny noch Platz für jemand anderen war. Und doch erfüllte ihn die Sehnsucht nach genau dieser Möglichkeit. Die Sehnsucht ging von der Frau aus, die er in den Armen hielt, durchkreuzte seine Gedanken, nahm an Wahrscheinlichkeit zu, wurde eine ernst zu nehmende Vorstellung und dann zum Verlangen.
Von irgendwoher aus einer fernen Galaxis hörte er Musik. Zu einem himmlischen Glockengeläut sang ein Engelchor.
Gloria löste sich von seinem Kuss – mit weit aufgerissenen Augen und ganz außer Atem. “Ich habe Engel singen gehört”, sagte sie.
“Wie ist das möglich! Ich auch.” Und wieder beugte Sam sich zu ihren Lippen hinunter, gab ihr einen fordernden Kuss und freute sich, dass sie ihn genauso gierig erwiderte. Er schob ihr eine Hand unter die Jacke, um die weichen prallen Formen ihrer Brust zu streicheln. Aber die Weste war im Weg und die Bluse auch. Also machte er sich an den Knöpfen zu schaffen.
“Daddy! Daddy! Daddy! Daddy!” Allies schrille Schreie wurden von ihren donnernden Schritten auf der Treppe begleitet und wirkten auf ihren Vater wie Eiswasser. Wie von der Tarantel gestochen, riss Sam sich von Glorias Lippen los. Für einen kurzen Augenblick erstarrte er bei der Vorstellung, was alles hätte passieren können. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und durchquerte schnell die Küche, um seine Tochter an der Tür abzufangen und auf den Arm zu nehmen. “Was ist los, mein Schatz?”
“Daddy! Daddy! Daddy!” Allison
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