Engelherz - Band 1-3
ich deine Ansprüche nicht erfüllen konnte! Dass ich nicht jemand war, den du lieben konntest!“, seine Stimme verklang, als hätte jemand eine Kerze ausgepustet und ich wusste, dass ihm würden nur noch wenige Sekunden blieben.
„ Ich liebe dich!“, sagte ich durch meine Tränen hindurch und küsste sanft seine alten, welken Lippen. Ich spürte sein Lächeln mehr als ich es sah und ich spürte, wie der Tod von ihm Besitz ergriff, als ich meine Lippen von seinen nahm.
„ Nein!“ Ich hörte einen Schrei und es dauerte, bis ich begriff, dass ich es war, die schrie.
„ Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!“
Die ganze Wucht von Jahves Strafe fiel auf mich: Ich war alleine.
Unter allen Menschen war ich alleine. Sie lebten und starben und ich lebte und lebte und lebte. Ich würde alles verlieren. Alles, was ich liebte und alles, was ich je lieben konnte.
Die Welt würde sich verändern und ich würde Lilith bleiben.
Entsetzt klammerte ich mich an Adams leblosen Körper und weinte um ihn, weinte um mich und weinte um das Schicksal, welches mir auferlegt worden war. – Für welches ich selber verantwortlich war.
Erst als die Sonne schon sehr tief stand, konnte ich akzeptieren, dass der Mensch, mit dem ich erschaffen worden war, der Mensch, den ich hätte lieben sollen, tot war, dass ich – Jahves erste Tochter – wohl auch der letzte Mensch auf diesem Planeten sein würde. Und dass ich nach und nach alle Menschen, die mir lieb waren, würde begraben müssen.
Auch Adam würde ich begraben. Ich wollte nicht, dass seine Kinder und Enkelkinder ihn so sahen, wie er jetzt aussah. So klein und kümmerlich, gar nicht wie der Urvater einer großen Menschheit.
Als ich ihn von seinem Lager hob, war er überraschend leicht. „So dünn.“ Trotzdem hatte ich Mühe, ihn aus dem Tal zu tragen.
Ich brachte es nicht über mich, ihn neben Eva zu beerdigen. – Nicht nachdem, was er mir gesagt hatte. Stattdessen brauchte ich Stunden, um an den Platz zu gelangen, der zu seinem letzten Lager werden sollte. – Von hier konnte man den Ort sehen, der einmal Eden gewesen war.
Ich hockte mich neben Adams Leiche und starrte in den Sonnenuntergang über Eden und weinte.
„ Wenn ich ihn nicht zurückgewiesen hätte, würde er noch leben! In Eden leben!“ – „Wenn du ihn nicht zurückgewiesen hättest, würde es keine Menschheit geben!“
„ Ist alles in Ordnung mit dir?“, riss mich Gabriels melodische Stimme aus meinem Selbstmitleid.
Überrascht und dankbar drehte ich mich zu ihm und schaute ihn an. „Nein Gabriel! Nichts ist in Ordnung und es wird niemals wieder in Ordnung sein!“, meine Stimme klang beinahe so alt und brüchig wie die Stimme Adams zuvor.
Betroffen schwieg Gabriel und nahm mich wortlos in den Arm. „Ich helfe dir, wenn du willst!“, bot er leise an.
„ Ich wollte ihn ins Moor bringen!“, flüsterte ich, „niemand soll ihn finden! Sie sollen ihn so lieben und in Erinnerung behalten, wie er war!“
Gabriel gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund, bevor er mich aus seiner Umarmung entließ. Er schulterte Adam und ging vorsichtig einige Meter ins Moor hinein, bevor er Adams Körper in einen der tiefen Tümpel gleiten ließ.
Dann kam er wieder zurück. Mein Gabriel, den ich seit dem Tag des Sündenfalls nicht mehr gesehen hatte. Der es seitdem Vorzug, die Erde und die Menschen von Außerhalb zu betrachten.
Kurz vor mir blieb er stehen und sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig, als er an mir vorbeiblickte.
Abrupt drehte ich mich um. Samiel stand hinter mir und musterte mich mit einem finsteren Blick aus leuchtend goldenen Augen, den ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Einen Blick, den ich nicht verdiente.
Ich war verstört und drehte mich zu Gabriel um. Doch dieser war genauso schnell verschwunden, wie er erschienen war.
„ Und?! Bereust du es schon?!“, kam hinter mir die Frage. Samiels Stimme klang kalt.
„ Was meinst du?“ Meine Gedanken arbeiteten wie rasend. „Wieso nur ist er so wütend?“
Ich drehte mich zu ihm und blickte ihn an. Seine Augen funkelten vor unterdrückter Wut. „Mich meine ich!“, antwortete er.
Hilflos erwiderte ich seinen Blick.
Selbstgerecht kam Samiel näher, er schien in seiner Wut zu schwelgen.
Wie bei unserer ersten Begegnung ging er um mich herum und musterte mich von oben herab.
Ich versuchte zu verbergen, wie miserabel es mir ging, weil mich seine Vorwürfe trafen und ich nicht wusste, warum er so wütend war.
„ Irgendetwas
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