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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Sie tastete nach dem kleinen Diktiergerät in ihrer Tasche.
    „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das Band laufen lasse?“
    „Nur zu.“
    Seine Gemälde wirkten plakativ und farbenprächtig, wie großformatige Cartoons. Die Bildtafeln vor ihr zeigten einen Jungen am Steuer eines Wagens, lässig mit den Händen in den Hosentaschen vor einem graffitibesprühten Schuppen und schließlich in einer Nahaufnahme mit einer Pistole.
    „Wer ist das auf dem Bild?“
    „Ich nenne ihn Marty.“ Er hielt seinen Blick auf die Wand gerichtet. „Er lebt in einer Straße in East L.A. und träumt die Träume, die alle Jungs in seinem Alter träumen.“
    „Also malen Sie sozialkritische Themen?“
    „Sozialkritisch?“ Er verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. „Würden Sie das so nennen? Sozialkritische Kunst?“
    Eve zögerte, weil sie nicht sicher war, ob sie gerade enthüllt hatte, dass sie überhaupt keine Ahnung von Kunst hatte, egal ob sozialkritisch oder nicht. Im Stillen verfluchte sie Greg La Rosa und seine idiotischen Ideen. Sie hatte nie in ihrem Leben eine Kunstreportage geschrieben. Wie kam Greg darauf, dass sie ausgerechnet jetzt damit anfangen konnte?
    „Ich weiß nicht“, sagte sie. Aber wenn sie schon untergehen sollte, dann mit wehenden Fahnen. „Marty sieht aus wie einer dieser Jungs, die nicht wissen, welcher von den Kerlen, die bei ihrer Mutter ein und aus gehen, ihr Vater ist, und die mit vierzehn ihren ersten Mord begehen.“
    „Und das macht es sozialkritisch?“ Alan sah sie an.
    Mit wehenden Fahnen.
    Eisern hielt sie seinem Blick stand. „Natürlich. Sie malen es und halten es den Menschen vor, die sonst nie im Leben nach East L.A. fahren und Marty kennen lernen würden.“ Sie kam sich vor wie ein Idiot. „Weil Sie damit den Menschen einen Spiegel vorhalten, und ihr Leben in einen Kontext setzen.“ Alan lächelte. Überrascht hielt sie inne. „Habe ich was Richtiges gesagt?“
    „Kommen Sie“, sagte er, „ich zeige Ihnen die anderen Bilder. Sonst wirft mir Katherina vor, ich hätte mich nicht gut um Sie gekümmert.“
    „An wen verkaufen Sie Ihre Kunst?“
    „Was meinen Sie?“
    „Ihre Kunden. Was sind das für Menschen?“
    Sie durchquerten das Foyer und drängten sich durch eine dichte Menschenmenge. Alan blieb vor einer Serie von Porträts stehen.
    „Schauspieler, Banker, Geldadel ...“ Er lachte. „Genau die richtige Zielgruppe für sozialkritische Kunst.“
    Eve fiel auf, dass seine Augen einen intensiven Grünton annahmen, wenn die Scheinwerfer sein Gesicht beleuchteten. Sie blinzelte. Das war jetzt wirklich nicht der passende Zeitpunkt, um über seine Augenfarbe nachzusinnen.
    „Brad Pitt zählt nicht zufällig zu Ihren Kunden?“
    „Was?“
    „Oder George Clooney?“ Sie wusste nicht genau, was sie ritt. Seit ihrer Trennung von Mark hatte ihr Taktgefühl im Umgang mit anderen Menschen deutlich gelitten. Und etwas an Alan forderte sie heraus. „Mein Agent sagt, wenn ich Brad Pitt oder George Clooney auf Ihrer Vernissage ablichte, zahlen die das Dreifache für den Artikel.“
    Alan starrte sie einen Moment an, dann begann er zu lachen. „Was für eine Reporterin sind Sie eigentlich?“
    Eve legte den Kopf schräg. „Geben Sie mir immer noch ein Interview, wenn ich’s Ihnen sage?“
    „Was Sie wollen.“
    „Frontberichte aus dem Irak, und in letzter Zeit zivile Mordfälle. Ich schreibe eine Serie über die Obdachlosenmorde in Downtown für die LA Times.“
    Er hob eine Augenbraue. Ob anerkennend oder abschätzig, wusste sie nicht zu sagen. „Was ist mit Kunst?“
    „Kunstschmuggel?“, schlug sie vor. „Ich habe mal Transportwege im Libanon recherchiert.“
    Er stieß den Atem aus. „Sie müssen eine tolle Reputation haben.“
    „Ich habe einen tollen Agenten.“
    „Der Sie an die LA People vermittelt hat.“
    Sie zuckte mit den Schultern.
    „Was brauchen Sie?“
    „Schlüpfrige Details.“ Sie begann, das Geplänkel zu genießen.
    Alan grinste. „Erfinden Sie was.“
    „Aber ich kann nicht ...“
    Ein Schrei flog vom Foyer herüber und ließ sie innehalten. Sie erkannte plötzliche Anspannung auf Alans Gesicht. Mit einem Mal sah er überhaupt nicht mehr aus wie der bohemienhafte Künstler. Und endlich flammte die Erinnerung auf, nach der sie so hartnäckig gegraben hatte.

    „Er ist von da oben runtergestürzt?“, hörte Alan einen Mann fragen. Stimmen schrien durcheinander. „Jemand muss die Polizei rufen!“
    Er drängte sich durch die

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