Engelsgesicht
brauche dein Blut – alles. Ich brauche das Blut der anderen jungen Mädchen, damit ich mich darin baden kann, um nicht zu verwelken. Ist das nicht eine Lösung für mich?«
Ilona war nicht mehr in der Lage, etwas zu erwidern. Allmählich jedoch dämmerte ihr, in welch einer Gefahr sie steckte, und sie merkte, dass es ihr schwer fiel, Luft zu holen. Ihr Körper war plötzlich von unsichtbaren Fesseln umgeben, die auch ihr Inneres nicht ausgelassen hatten. Die Gräfin verlangte unbedingten Gehorsam. Der endete erst mit dem Tod der Person, und genau so sah Ilona das auch.
Plötzlich war ihr alles klar, und sie schüttelte den Kopf. Auf den etwas derben Gesichtszügen breitete sich die Angst aus. »Bitte nicht, Frau Gräfin, bitte nicht!«
»Doch, Ilona, doch. Vergiss nie, dass du mir gehörst. Allein bist du nichts, gar nichts. Du gehörst mir mit Leib und Seele. Alles andere interessiert mich nicht. Mit Leib und Seele. In diesem Fall vor allen Dingen mit dem Leib!«
Die Zofe sagte nichts. Sie konnte nicht mehr sprechen. Sie schaute nur auf die Gräfin, die sich jetzt von ihrem Stuhl erhob. Dabei klebte ein seltsames Lächeln auf ihren Lippen, und die Augen hatten einen bösartigen Ausdruck angenommen.
Ilona wäre gern weggelaufen. Auf der anderen Seite war ihr klar, dass eine Flucht nichts brachte. Hier im Schloss war sie immer eine Gefangene. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Augen brannten, als wären sie mit einer ätzenden Flüssigkeit gefüllt worden. Die Angst war wie eine unsichtbare Peitsche, die auf sie niederschlug, und schon jetzt duckte sie sich.
Die Bathory griff zum Klingelband. Sie tat es langsam und kontrolliert, dann aber zerrte sie fest daran. Der Klang der Glocken war nicht im Frisierzimmer zu hören, sondern in einem anderen Raum, in dem ihre Diener warteten.
Und die wussten, was sie zu tun hatten. Keine Sekunde zögern, sofort bereitstehen. Sie rissen die Tür auf und blieben in devoter Haltung stehen.
Die Gräfin hatte sich ihre persönlichen Leibwächter genau ausgesucht. Es waren junge, kräftige Männer aus dem nahen Ort, die alles für sie taten.
»Packt sie!«
Ilona wurde zwar nicht überrascht, doch sie war trotzdem nicht in der Lage, sich zu wehren. Die Griffe der beiden Männer waren einfach zu hart. Die Arme wurden ihr auf den Rücken gedreht. Der Schmerz ließ sie aufschreien, und sie drückte ihren Oberkörper nach vorn. In dieser devoten Haltung blieb sie vor der Adeligen stehen.
»Ihr werdet sie in den Keller bringen und sie dort ausbluten lassen. Ihr werdet ihr Blut auffangen und mir eine Wanne damit füllen. Dann werdet ihr losziehen und mir andere Frauen holen. Junge Frauen. Ich will die Wanne bis zum Rand gefüllt haben. Habt ihr das verstanden?«
»Ja, Frau Gräfin!«
»Dann ist es gut. Ich will, dass die Wanne bei Anbruch der Dunkelheit mit Blut gefüllt ist. Wenn nicht, werde ich euch köpfen lassen. Und jetzt führt sie ab!«
Ilona hatte alles gehört, jedes Wort. Sie konnte zunächst nicht fassen, dass sie gemeint war. Erst als die beiden sie herumrissen, war ihr alles klar.
»Nein!«, schrie sie, »nein!« Ihre Stimme kannte sie selbst nicht wieder. Sie flehte, sie bettelte um ihr Leben. Sie wollte vor der Gräfin in die Knie fallen, doch die hatte sich bereits abgedreht.
Für sie war Ilona schon Vergangenheit. Nicht aber ihr Blut. Und sie würde viel, sehr viel Blut brauchen.
Als sie allein war, küsste sie die Stelle ihrer Haut am Arm, die ihr besonders frisch und jugendlich erschien. Dann lachte sie, und dieses Lachen sollte noch oft aus ihrem Mund erschallen, bis zu ihrem grausamen Ende.
Da aber war die Bathory längst in die Annalen der Geschichte als Blutgräfin eingegangen...
***
»Nett haben Sie es hier, Purdy, wirklich nett.« Ich schaute mich um und lächelte ihr zu, als sie auf den Besucherstuhl deutete, der für mich bereitstand.
»Hören Sie auf, John. Keine falschen Komplimente.«
»Wieso denn? Das Büro ist hell, die Blumen frisch, so sieht es bei mir nicht aus.« Ich beugte mich den Maiglöckchen entgegen, die aus einer Vase hervorschauten.
Purdy Prentiss lachte. »Ja, ja, der gute Geisterjäger. Immer zu Scherzen aufgelegt.«
»Das habe ich ehrlich gemeint.«
»Die Blumen hat mir gestern eine Mitarbeiterin geschenkt. Außerdem haben wir Mai, und da gehören sie einfach dazu. Oder finden Sie nicht, John?«
»Aber immer doch.«
»Wunderbar. Ich kann mir vorstellen, dass Ihre gute Glenda Perkins ebenso denkt.«
»In ihrem Büro
Weitere Kostenlose Bücher