Engelsleid (German Edition)
Schimmer im Sonnenlicht zu. Längst war Laura dazu übergega n gen, ihre schulterlangen glatten Haare in einem kühlen Weinrot zu färben, das ihre helle Haut zwar noch mehr betonte, zugleich aber auch extravaganter machte.
Dies würde dann definitiv die letzte Hochzeit sein, auf die Laura gehen wü r de, denn ihre eigene würde nicht stattfinden. Niemals.
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Die Stadt der Liebe
Es war eine kalte und ungemütliche Nacht. Wie stets, wenn Az a radeel ins Grübeln verfiel, mit sich und seiner Situation unzufri e den, schien der Himmel seine schlechte Laune zu teilen und schickte Regen. Aber was vom Himmel herabstürmte, war nicht etwas, was mit dem simplen Wort Regen zu betiteln war. Ein Orkan peitschte über die Dächer, wie er in diesem Jahr noch ke i nen erlebt hatte. Unerbittlich, über Stunden, mit Sturmböen, die Bäume abknickten und Laub durch die Luft wirbelten, Straßen und Ge h wege überflutend, weil die Gull y s die Wassermassen nicht aufz u nehmen vermochten.
Azaradeel schlug den Kragen seines langen Ledermantels hoch und zog den Kopf ein, obwohl dies nichts nützte. Die kalten Fluten prasselten auf sein Haupt und rannen in den Kragen hinein, trän k ten sein Hemd und arbeiteten sich bis auf seine Haut vor. Wäre er ein Mensch, würde er frieren und sich eine schlimme Erkältung zuzi e hen. Aber er war kein Mensch und trotz dieses unangenehmen We t ters war er sich auch in einer Nacht wie heute nicht im Klaren dar ü ber, ob er dies nicht doch bedauerte.
Seit über einer Stunde saß er auf dem Dach des Kaufhauses L a fayette, die imposante Glaskuppel in seinem Rücken. Der R e gen trommelte ein lautes Stakkato auf die großen Glasflächen. Die Beine über die Dachkante baumelnd , starrte Azaradeel hinunter auf die trotz des schlechten Wetters belebte Straße. Die Lichter der Autokolonnen konkurrierten mit denen der Straßenlaternen und Kaufhäuser. Auf Azaradeel wirke dies wie eine gut beleuc h tete Theaterkulisse.
Seufzend stützte er seinen Kopf auf die Hände, während er hal b herzig den jüngsten Eskapaden seines besten Freundes lauschte, der neben ihm stand, dem Seitenwind wie ein Stahlpfe i ler trotzend.
» I hre Haut war von einem leichten Bronzeton und weich wie Samt. Ihre Augen gelbgrün und durchdringend wie die einer Ka t ze. Und genauso verhielt sie sich. In der einen Minute schnurrend anschmie g sam und in der nächsten kratzbürstig ihre Krallen au s fahrend. Wow, dieses Temperament! Ich muss sie dir mal vorste l len, Aza. Ein Traum von einer Frau. « Leviathan hielt kurz inne, beugte sich heru n ter und schaute Azaradeel von der Seite an, das eigene Gesicht von triefnassen Haaren umrahmt. » Hey! Du hörst mir ja gar nicht zu! «
» Doch, doch « , erwiderte Azaradeel und schaute ihn kurz an, ehe er sich wieder dem Geschehen unter ihnen widmete. In all der Zeit, seit sie sich schon kannten, und das konnte man getrost als einen Teil der Ewigkeit bezeichnen, hatte Leviathan sich nicht im Geringsten geä n dert. Seit eh und je war er derselbe unvernün f tige Draufgänger, der schamlos jede Frau verführte, die ihm gefiel, ohne über irgen d welche Konsequenzen nachzudenken. Die Fra u en allerdings konnte Azaradeel durchaus verstehen. Sein Freund war ein Bild von einem Mann , l euc h tende Augen mit einem Blau wie von Vergissmeinnicht, umrahmt von langen dichten Wimpern, um die ihn jede Frau bene i dete. Lange und dichte , zu einem Pferdeschwanz gebundene , schwarze Haare. D a bei war er eins fünfundachtzig groß und muskulös. Alles in allem hatte er eine erotische Ausstrahlung, für die Azaradeel keine Konkurrenz da r stellte, und Männer des Menschengeschlechts sowi e so nicht. Wobei ihm persönlich dies nichts ausmachte, denn im G e gensatz zu Levi befand Azaradeel sich nie auf der Jagd nach dem weiblichen G e schlecht.
Für einen Augenblick überzog ein ironisches Lächeln seine Li p pen. Es gab auch den umgekehrten Fall, dass sich Männer mit schmachte n dem Blick seinem Freund an den Hals warfen , und dieser war einem gleichgeschlechtlichen Akt durchaus nicht a b geneigt. Für ihresgleichen stellte dies eine absolute Todsünde dar, obgleich ni e mand wusste, was daran denn verwerflicher sein sollte , als sich mit einer Frau zu verein i gen . D as war schließlich auch verboten, alle r dings moralisch nicht so ve r werflich.
Darauf angesprochen hatte Levi ihm einst schulterzuckend e r widert: » Na und? Können wir so viel tiefer in der Hierarchie fallen, als wir schon
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