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Engelsleid (German Edition)

Engelsleid (German Edition)

Titel: Engelsleid (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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zu gönnen? Du hast so viel Gutes getan, ganz im Gegensatz zu mir, und – was hat es dir genützt? Bist du in den Olymp der Heiligen zurückgekehrt? «
    Auch wenn es ihm gegen den Strich ging, tief in seinem I n nersten war Azaradeel gezwungen, Leviathan recht zu geben. Gelang es ihm, einen Mensch en vor Krankheit oder Unfall zu bewahren, so starb an dessen Stelle ein anderer. Alles schien vo r herbestimmt, egal ob sie sich einmischten oder nicht. Als ob ein bestimmtes Soll zu erfüllen war. Dennoch hielt er stur an seiner Meinung fest, dass alles noch viel schlimmer sein würde, wenn er und seinesgleichen sich gar nicht mehr kümmerten. Aber auf eine Diskussion über dieses Thema wollte er sich mit seinem Freund heute nicht einlassen. Levi hatte zu oft die besseren A r gumente.
    » Ich für meinen Teil will sowieso nicht zurück « , verkündete di e ser gerade, seine innere Haltung durch die vor der Brust verschrän k ten Arme unterstreichend. » Diese starre, ururalte Hiera r chie kotzt mich an. All diese Seraphi n e, Cherubi n e, Erzengel, die sich als uns e re Chefs aufgespielt haben, als wir noch dazugehö r ten. Überhaupt –   wer weiß schon, ob unser Herr das Ganze noch unter Kontrolle hat und nicht längst ein anderer regiert, vie l leicht Petrus? «
    » Leviathan! « Empört richtete Azaradeel sich auf. Seine schweren Flügel schüttelten rauschend den Regen ab. » Das ist Blasph e mie! «
    » Und wenn schon. Weißt du’s denn besser? « Leviathan zuckte mit den Schultern. » Dann sollen sie mich halt in die Hölle sch i cken. Das wäre bestimmt eine interessante Abwechslung. Ich würde gerne die Dämonenwelt ein wenig aufmischen. Vielleicht gibt’s da sogar attraktive Damen? «
    Azaradeel tippte sich an die Stirn. Das meinte Levi bestimmt nicht ernst, dennoch wünschte er, sein Freund würde nicht so leichtfertig Dinge aussprechen, die ungesagt bleiben sollten. Was wäre denn, wenn die Allgegenwart Gottes soweit reichte, sie bei solchen Gesprächen zu belauschen? Diese gotteslästerliche Me i nung würde genügen, ihre Rehabilitation ad acta zu legen. O b gleich – und auch darauf hatte ihn sein Freund eines Tages au f merksam gemacht – die Ohren des Allmächtigen müssten von dem Stimmengewirr diverser Sprachen zugemüllt sein, wenn man bedachte, wie viele Menschen unterschiedlicher Religionen rund um die Uhr und von überall auf dem Globus ihm ihre Anliegen nahezubringen versuchten.
    » Also, was ist jetzt, Aza? « , hakte Leviathan mit wachsender Ungeduld nach. » Kommst du mit in die Folies Bergère? Sei ein Mann. Du kannst deine Bedürfnisse nicht dauernd unterdrücken. «
    Das stimmte und gewiss wäre ein Besuch in den Folies rei z voll. Im ältesten Varieté von Paris tanzten Abend für Abend die schönsten Frauen seit über h undert Jahren. Mit fast Nichts bekle i det und versiert in erotischen Bewegungen , verzauberten die Frauen n acht s das vo r wiegend männliche Publikum. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren sie beide Stammgäste gewesen und hatten nichts anbrennen lassen. Zu groß war der Reiz gewesen, sich einmal selbst zu amüsieren, statt nur zuzusehen. Bis Azar a deel , von seinem schlechten Gewissen geplagt , sich wieder um Enthaltsa m keit bemühte.
    Ablehnend schüttelte er den Kopf. Nein, heute Nacht wollte er sich nicht in Versuchung führen lassen. Vielleicht würde es ihm sogar gelingen, auch Levi wieder auf den rechten Weg zu bringen, obgleich er diesbezüglich wenig Hoffnung hatte. » Wie viele Ki n der hast du inzwischen? « , griff er dessen Frage auf.
    » Zurzeit sind es neunundzwanzig. Zwischen achtundneunzig Jahren und vier Monaten. « Stolz schwang in Levis Stimme mit.
    Allmächtiger, das waren weitaus mehr, als Azaradeel befürc h tet hatte. » Du bist verantwortungslos, und das weißt du. «
    Leviathan lachte amüsiert auf. » Du bist unverbesserlich. Glaubst du wirklich, dass wir verbannt worden sind und unsere t wegen eine Sintflut ausgelöst wurde, nur um die Menschen, die wir liebten, insbesondere unsere Kinder, die Nephilim, zu ve r nichten? Wie vereinbart sich das deiner Meinung nach mit einem liebenden und verzeihenden Gott? «
    » Ich weiß nicht mehr, was ich glaube « , knurrte Azaradeel.
    Er sprach nicht gerne über die Zweifel, die ihn plagten. Die B i bel, der Koran, die Tora – das waren nur von Menschen geschaff e ne Werke, sogenannten Propheten von Engeln eingegeben und von Menschen, die etwas zu sagen hatten, nach ihrem Bedarf interpr e tiert.

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