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Engelslieder

Engelslieder

Titel: Engelslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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jünger war. Gab es in dem Traum irgendeinen Anhaltspunkt für eine Jahreszahl? Nein, nichts, woran sie sich erinnern konnte. Dennoch: Wenn das Kind damals fünf oder sechs war und jetzt elf oder zwölf, lag die Entführung – sofern es eine gegeben hatte – mindestens sechs Jahre zurück.
    Das alles war schon ziemlich verrückt. Bestimmt war der heutige Traum nicht mit dem Albtraum aus ihrer Jugendzeit zu vergleichen, und trotzdem …
    An Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie ging in die Küche, schenkte sich ein Glas Milch ein und nahm es mit zum Sofa. Sie zog die weiche, von ihrer Großmutter gehäkelte Wolldecke von der Sofalehne, legte sie sich über die Beine, lehnte sich zurück und ging den Traum in Gedanken noch einmal durch.
    Vielleicht war der heutige Traum wirklich nur ein Traum. Ein echter Traum, der ganz und gar der Fantasie entsprang.
    Vielleicht war auch keiner von beiden wahr.
    Autumn leerte das Milchglas und streckte sich auf dem Sofa aus. Wenn sie weiterträumte, sähe sie das Mädchen womöglich als erwachsene Frau, die ein glückliches Leben führte. Dann bräuchte sie sich nicht länger um sie zu sorgen.
    Vielleicht lag sie völlig falsch, und anders als zuvor war oder würde nichts Schlimmes geschehen. In die warme Decke gekuschelt, schlief sie endlich ein. Und begann sogleich wieder zu träumen.
    Drei Frauen arbeiteten in der Küche, das kleine Mädchen war kein Kind mehr, sondern älter. Es bekam allmählich Brüste, einen weiblicheren Körper. Und als es Autumn ansah, lag in seinen Augen wieder so viel Schmerz, dass Autumn aufwachte.
    Sie lag mit hämmerndem Herzen auf dem Sofa, erschöpft und noch besorgter als zuvor. Das war nicht nur ein Traum. Das war eine Botschaft – genauso wie damals mit fünfzehn.
    Sie durfte sie nicht wieder ignorieren. Sie würde nicht noch einmal tatenlos herumsitzen und etwas Furchtbares geschehen lassen. Gütiger Gott, wenn sie doch nur wüsste, was sie tun sollte.

4. KAPITEL
    E s war früh am Morgen, fast schon Zeit aufzustehen. Während Autumn wach auf dem Sofa lag und an die Zimmerdecke starrte, zogen die Traumbilder an ihrem geistigen Auge vorbei. Wenn es dasselbe blonde Kind aus dem ersten Traum war, die kleine Molly, vielleicht war es dann eins von Tausenden Kindern, die vermisst und nie gefunden wurden. Womöglich bat sie Autumn um Hilfe.
    Aber wenn es so ist, warum ausgerechnet jetzt? Warum haben die Träume nicht schon vor Jahren angefangen?
Bislang hatte sie das Mädchen offenbar nicht einmal gekannt. Die ganze Sache war ziemlich verwirrend.
    Hundemüde und in Gedanken immer noch bei dem Traum, schlug sie die Wolldecke zurück und ging ins Badezimmer, um zu duschen und sich für die Kletterhalle fertig zu machen. Sie brauchte körperliche Betätigung, um den Kopf frei zu kriegen. Nach dem Mittagessen würde sie zwei Einzelstunden geben und sich gegen halb sechs mit Terri auf ein paar Drinks in O’Shaunessy’s Bar und Grill treffen, einem Lokal der gehobenen Preisklasse, das auf Terris Liste der Lieblingsbars auf den oberen Plätzen rangierte.
    Der Tag verging wie im Flug. Autumn war pünktlich in der Bar, doch Terri verspätete sich – wie üblich. Als sie eintraf, nippte Autumn bereits an einem kühlen “Kendall Jackson”-Chardonnay und entspannte sich allmählich.
    Lächelnd bahnte sich Terri den Weg durch die Menge an Bar und Tischen. Bei Autumn angekommen, hängte sie die Tasche über die Lehne eines der Stühle, die rings um den winzigen Tisch standen, und winkte die Kellnerin heran.
    “Ich brauche unbedingt einen Cosmo, Rita. Nach einem Tag wie diesem habe ich mir redlich einen verdient.”
    “Kommt sofort, Süße.” Rita huschte mit auf der Schulter abgestütztem Tablett und wogenden Hüften davon und kam nur wenige Minuten später mit dem Drink zurück. Terri war Stammgast und wurde stets prompt bedient, und auch Autumn fühlte sich in dem lebhaften Pub wohl.
    Terri nahm einen Schluck aus dem vor Kälte beschlagenen, langstieligen Martiniglas. “Und, wie war dein Tag, liebe Freundin? Meiner war beschissen.”
    Autumn schlürfte ihren Wein. “Mein Tag war gut. Aber die letzte Nacht war übel.”
    Terri verdrehte die Augen. “Sag nichts. Der Traum, stimmt’s?”
    “Ja … und nein.”
    “Okay, erzähl’s mir.”
    “Ich hatte einen anderen Traum von derselben Person.”
    “Was?”
    Sie nickte. “Keine Ball spielenden Kinder im Garten, kein kleiner Junge namens Robbie. Diesmal war das Mädchen fünf oder sechs Jahre älter …

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