Engelslieder
bestimmt in allen Lokalzeitungen erschienen war, doch ausgerechnet im Juni war sie mit einer Gruppe Klettersportler durch Europa gereist – ein Geschenk, das sie sich selbst zum Abschluss gemacht hatte.
McKenzie? McKenzie?
Warum kam ihr der Name nur so bekannt vor?
Dann traf es sie wie ein Blitzschlag – sie hatte ihn erst vor wenigen Tagen gehört. Josh hatte ihn erwähnt, als sie und Terri im Fitnessclub trainiert hatten.
Autumn überflog den Bericht und fand im Nu die entsprechende Information: Molly Lynn McKenzie war die Tochter von Sportartikelhändler Ben McKenzie und seiner Frau Joanne, beide wohnhaft in Issaquah, Washington, einer Stadt im Vorgebirge nur wenige Kilometer östlich von Seattle.
Allmählich setzten sich die Puzzleteile zusammen. McKenzie war ihr erst vor Kurzem im Studio aufgefallen. Sie dachte scharf nach. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie ihn zum ersten Mal in dem Zeitraum gesehen, als sie anfing, von Molly zu träumen.
Den Blick auf den Monitor geheftet, drückte sie fieberhaft auf die Vorwärtstaste, um in der Zeit nach vorn zu springen. Ein Artikel nach dem anderen war über die kleine Molly verfasst worden – Interviews mit ihren Eltern, die verzweifelte Suche nach ihr. Während sie die Seiten überflog, betete sie, das Kind mochte gefunden worden sein. Doch tief im Innern wusste sie es besser.
Laut der Times hatte sich die Suche über Wochen erstreckt. Jedoch waren die Berichte mit der Zeit immer spärlicher gesät. So, wie es sich für Autumn darstellte, war nie ein Hinweis auf den Verbleib des Kindes gefunden worden.
Vor ihrem geistigen Auge erschien ein Bild des attraktiven Ben McKenzie. Wie verzweifelt mussten er und seine Frau gewesen sein, als sie ihr kleines Mädchen verloren. Ein Stich fuhr ihr durch die Brust. Sie durfte sich den Schmerz, den unerträglichen Kummer, den sie erlitten haben mussten, gar nicht erst vorstellen. Sie musste mit Ben McKenzie sprechen und so viel wie möglich über den Vorfall in Erfahrung bringen.
Falls Molly noch immer als vermisst galt …
Sie druckte die Zeitungsartikel aus, bezahlte die Ausdrucke und verließ das Gebäude. Sie musste Ben McKenzie sehen und eventuell auch mit seiner Frau sprechen. Sie musste wissen, ob man in den vergangenen sechs Jahren irgendetwas über Molly herausgefunden hatte. Sobald sie zu Hause wäre, würde sie in McKenzies Büro anrufen und um einen persönlichen Termin mit ihm bitten.
Gott allein wusste, was sie sagen würde.
Ben beendete die Telefonkonferenz, die er mit dem stellvertretenden Leiter seiner Finanzabteilung, George Murphy, und Russ Petrone, einem Immobilienmakler aus Issaquah, geführt hatte. Die Stadt war Bens Zuhause, seit er in die Gegend gezogen war. Dort hatte er sein erstes Geschäft eröffnet.
Laut Russ – einem langjährigen Freund, der ihm und Joanne ihr Haus verkauft und ihm später geholfen hatte, das Gebäude für McKenzie Sporting Goods zu pachten – war seine verkaufsstärkste Filiale in Gefahr. Offenbar hatte sein Konkurrent A-1-Sports im Umkreis von zwei Blocks herumgeschnüffelt und ein Kaufobjekt ausfindig gemacht. Schenkte man den Gerüchten Glauben, lag die Immobilie direkt gegenüber der Issaquah-Filiale, und A-1 machte ernst zu nehmende Anstalten, sie zu kaufen.
Fluchend legte Ben den Hörer auf und lehnte sich in seinem schwarzen Lederstuhl zurück.
So ein Aasgeier!
Er glaubte nicht eine Sekunde, dass A-1 in der Gegend wirklich eine Filiale eröffnen wollte. Aber er glaubte sofort, dass sie es täten, wenn sie meinten, ihn so zum Verkauf der McKenzie-Kette drängen zu können. Mit den niedrigen Preisen war A-1 ein starker Konkurrent. Die Leute liebten es, Schnäppchen zu machen, selbst wenn die Qualität der Ware zu wünschen übrig ließ.
In der Sportwelt waren Billigprodukte nicht nur wenig strapazierfähig, sie konnten zudem auch gefährlich sein.
A-1 war definitiv ein Problem, das Ben würde lösen müssen.
Die Gegensprechanlage summte. “Ihr Halb-Sechs-Termin ist da”, sagte Jenn.
“Wer war das noch gleich?”
“Eine Frau namens Autumn Sommers. Sie sagt, sie möchte Sie in einer persönlichen Angelegenheit sprechen. Sie baten mich, sie am späten Nachmittag einzuplanen.”
Er versuchte, sich an den Namen zu erinnern, aber er war ihm unbekannt. Seit seiner Scheidung hatte er ein paar Affären gehabt, jedoch nie etwas Ernstes. Er wollte keine richtige Beziehung und spielte stets mit offenen Karten. Aber er mochte das weibliche Geschlecht und
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