Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
Leute mich inzwischen Bluebell nennen?«
Galen lachte. Ihm wurde bewusst, dass er in diesem hübschen Engel, der aussah wie ein Schmuckstück und kämpfte wie eine glänzende, elegante Klinge, unversehens einen Freund gewonnen hatte. »Dann komm, als Entschädigung darfst du versuchen, mich im Kampf zu besiegen.«
Während er im frischen Herbstwind mit Raphaels Leuten trainierte und sich hundert Schattierungen von roten, braunen und ockerfarbenen Blättern auf die Erde legten, dachte er an seinen kostbaren Vorrat an Briefen und an die zarten Federn in Creme und verlegenem Rot. So schöne Worte hatte Jessamy ihm geschrieben. Und doch war er zu ehrlich, um sich selbst etwas vorzumachen – an einer Tatsache würde sich nie etwas ändern: dass er der erste Mann gewesen war, der sie als Frau in den Himmel hinaufgetragen hatte. Wenn er zurückkehrte, würden es auch andere getan haben … und dann hatte seine Historikerin eine Wahl.
Obwohl ihn die Vorstellung zugrunde richtete, sie in den Armen eines anderen Mannes fliegen zu sehen, wollte er, dass sie diese Wahl hatte. Sie sollte niemals bereuen, mit ihm zusammen zu sein. Denn trotz all seiner Ecken und Kanten trug jeder Teil von ihm Jessamys Namen – und er wollte, dass es ihr mit ihm ebenso erging.
Während der Herbst in einen harten, schroffen Winter überging, schlug Jessamy ihre Geschichtsbücher auf und hielt all das fest, was sich in der vergangenen Jahreszeit ereignet hatte. Der Frieden hatte gehalten, denn die Erzengel hatten keine Zeit für ihre Machtspielchen gehabt. Zu sehr waren sie damit beschäftigt gewesen, das Schauspiel von Michaelas Aufstieg in den Kader zu beobachten. Jessamy musste anerkennen, dass der neue Erzengel mit ehrfurchtgebietender Pracht an die Macht gekommen war.
Im hohen Norden , schrieb sie, tanzen im Winter die Farben am Himmel. Aber als Michaela ihre volle Stärke erreichte, tanzte der Himmel auf der ganzen Welt, über den Tropen ebenso wie über der Zufluchtsstätte, bei Nacht ebenso wie am helllichten Tag. Kräftiges Indigo, leuchtendes Rubinrot, irisierendes Grün. Die Farben verwandelten die Welt in einen Traum.
Natürlich hatte es auch andere Entwicklungen gegeben, die im Vergleich dazu kleiner, aber nicht weniger wichtig gewesen waren. Sie schrieb sie mit der Distanz der Historikerin nieder, obwohl ihre Seele über einiges, was sie zu Papier bringen musste, stumme Tränen vergoss. Aber sie waren eine langlebige Spezies, Verlust und Trauer gehörten ebenso zu ihrer Geschichte wie die Freude.
Ihr eigenes sehnsüchtiges Verlangen wuchs. Tag für Tag suchte sie den Himmel nach Galens charakteristisch gestreiften Flügeln ab, obwohl sie wusste, dass er sich mit Raphaels Männern und Frauen auf einem winterlichen Marsch befand, um die Krieger unter den rauesten Bedingungen zu trainieren.
»Jessamy.«
Sie hielt im Schreiben inne, nahm die Feder vom Papier und blickte in das hagere Gesicht eines Engels, der fünfhundert Jahre älter war als sie. Er war kein schöner Mann, hatte jedoch die Art von überwältigender Ausstrahlung an sich, die von Zeit und Erfahrung zur Perfektion geschliffen wurde. »Ja?«
Er streckte ihr die Hand entgegen. »Ich möchte dich an den Himmel tragen.«
Galen wollte den Frühling am liebsten aus dem Boden stampfen, auch wenn es ihm nichts genützt hätte. Noch mindestens eine weitere Jahreszeit würde er in diesem Territorium verbringen müssen, denn er wollte sichergehen, dass seine Soldaten umsetzen konnten, was er ihnen beigebracht hatte. »Ich werde wiederkommen, wenn es nötig ist«, sagte er zu Raphael, während er an den Klippen auf und ab lief, die sich auf einer Insel jenseits des mächtigen, tosenden Flusses erhoben und einen klaren Blick auf den Turm boten. »Aber ich möchte in der Zufluchtsstätte stationiert werden.«
»Dagegen habe ich nichts einzuwenden«, sagte Raphael. »Ich brauche mindestens einen meiner hochrangigen Vertrauten, der dauerhaft dort ist.«
Das Vertrauen zwischen ihnen war gewachsen und hatte eine tiefe Bindung geschaffen. Dennoch fragte sich Galen, ob Raphael ihn in der Zufluchtsstätte unauffällig beobachten lassen würde, weil er nun so viel Macht hatte. Er jedenfalls hätte es getan, und das sagte er Raphael geradeheraus. Der Erzengel hob eine Braue. »Du stärkst mich, Galen. Das macht dich zu einem Angriffsziel. Sei vorsichtig.«
»Niemand wird mich jemals überrumpeln.« Das war keine Arroganz – er kannte seine Stärken ebenso gut wie seine Schwächen.
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