Engelstation
sagte Kit.
Sie ließ ein tiefes Lachen hören. Die Koje begann wieder zu schaukeln. »Und wie soll ich das gemacht haben? Ich bin eine Gefangene, verdammt noch mal, die nichts zu tun hat.« Ihr Lachen wurde höher. »Was bin ich denn, eine Hexe oder so was?«
»Ridge hat Drohungen gegen dich ausgestoßen, Maria. Ich weiß nicht, wie viele Leute mit ihm übereinstimmen.«
Sie streckte die Arme aus und drückte sie gegen die Wände, um die Koje zu stoppen. Ihr Gesicht war eine verzerrte Maske der Wut. »Dann soll der Scheißkerl von einer Filzlaus mal kommen«, sagte sie und krümmte die Hände zu Klauen. Ein Schauer der Furcht lief Kit über den Rücken. »Ich reiß ihm die Kehle raus«, zischte Maria. »Das soll er bloß mal probieren. Er wird’s für den Rest seines Scheißlebens bereuen.« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Wird aber nicht so weit kommen. Ich kontrolliere fünfzig Prozent der Runaway und ihrer Gewinne. Das vergißt Marco nicht. Er wird nicht zulassen, daß mich jemand belästigt.«
»Kann sein, daß Ridge Marco nicht nach seiner Meinung fragt.«
»Hm.« Verächtlich.
Die Zentrifuge kam zum Stehen, bewegte sich ein paar Zentimeter und hielt wieder an. Kit merkte, wie er vom Boden abhob. Er stieß sich sachte ab, schwebte zur Koje und hielt sich an einem Träger fest. Das Röhrengestell vibrierte unter seinen Fingern, als draußen im Schiffsrumpf schwere Bolzen aus legiertem Stahl einrasteten und die Zentrifuge arretierten.
Ein leises Warnsignal ertönte. Der Schuß würde gleich erfolgen.
Warnsignale, dachte Kit. Sie sollten Sirenen und Glocken für Kummer und Leid haben.
Versuch’s noch mal.
»Ich möchte mit dir Zusammensein«, sagte er. »Aber du läßt mich ja nicht.«
Sie wandte sich mit einer weiteren schnellen, vogelartigen Kopfbewegung zu ihm. Einen Moment lang hatte ihr Gesicht fast etwas Menschliches.
»Armer Kit«, sagte sie. »Das hast du dir alles ganz anders vorgestellt, was?«
Er sagte nichts, sondern sah sie nur an.
»Du hast mich benutzt, Kit«, fuhr sie fort. Ihre Stimme war unbeschwert, fast ein Singsang. »Du hast mich benutzt, um an die Koordinaten für das Rendezvous ranzukommen.«
Kits Haut wurde heiß. »Ich hatte …« Seine Zunge war dick. »Ich hatte keine große Wahl. Marco hat mir keine gelassen.«
»Kann schon sein.« Sie lachte. »Vielleicht hatte ich auch keine andere Wahl. Vielleicht mußte ich irgendwie zur Engelstation kommen, und die einzige Möglichkeit war, mich deiner Sympathie zu bedienen.«
Er biß die Zähne zusammen. »Ist das wahr?«
Sie kicherte. Das Menschliche war verschwunden. »Ist es wahr«, fragte sie spöttisch, »daß du damals auf Bezel keine andere Wahl hattest?«
Darauf wußte er keine Antwort. Er drehte sich um, klappte einen Stuhl aus der Wand und setzte sich hin.
Die schöne Maria brachte die Koje wieder zum Schwingen, bis sie sich wie eine Miniaturzentrifuge drehte. Der Schuß begann. Kit bemühte sich, Maria nicht anzusehen, als sie mit der Koje herumwirbelte, mit den Armen wedelte, um sich trat, schrie, lachte und mit den Fäusten auf die Matratze einschlug.
»Ich bin eine Hexe, Kit!« Hämisch: »Ich bin eine Hexe!«
Kit schwieg. Er betrachtete seinen Vorrat an Hoffnung, wie er seine Spiralenaufstellung betrachtet hatte, berechnete seine Chancen und versuchte sich darüber klarzuwerden, wie er das Spiel anpacken sollte. Aussteigen, überlegte er, oder den Einsatz verdoppeln?
Aussteigen, dachte Kit. Als ob die Entscheidung in Wirklichkeit nicht schon für ihn getroffen worden wäre.
Der Schuß ging vier Lichtjahre weit in die falsche Richtung.
Aussteigen, dachte er immer wieder. Aussteigen. Aussteigen! AUSSTEIGEN!
In der Mitte der Serie ging Kit hinaus, um seinen Schuß zu machen. Aus einer immer noch vorhandenen vagen Sympathie heraus setzte Maria ihm nicht ganz so hart zu wie den anderen.
Hinterher schlief sie zwölf Stunden lang, wobei die Elektronenwelt in ihrem träumenden Geist unmittelbar präsent war. Kit weckte sie, indem er sie an der Schulter rüttelte. Ein Druckballon plumpste neben ihr aufs Kopfkissen. »Kaffee«, sagte Kit. »Espresso.«
»Danke.«
»Frühstück steht auf dem Tisch.«
Maria rieb sich die Augen. »Danke, Shooter.«
Sie hörte, wie die Tür zuglitt. Er war bereits gegangen.
Maria schlang ihr Frühstück hinunter. Geladene Partikel schienen auf ihrem Teller zu tanzen und von den Zinken ihrer Gabel zu sprühen, wenn sie nicht direkt hinschaute.
Sie warf einen Blick
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