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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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auf die in der Uhr schwebenden limonengrünen Zahlen des holographischen Chronometers, die über dem eingeklappten Tisch leuchteten. Wie lange bis zum nächsten Schuß? In der letzten Serie hatten sie ein Drittel der Strecke nach Engel geschafft, weniger als erwartet. Die nächste würde bestimmt bald beginnen.
    Das Koffein begann den träge fließenden Schlamm in ihren Adern zu klären. Erwachendes Wahrnehmungsvermögen flatterte in ihr herum, vorsichtig wie ein frisch geschlüpfter Schmetterling.
    Kit kam in die Kabine und zog die Tür hinter sich zu Die schöne Maria lächelte ihn an und streckte sich.
    »Als ich reinkam, warst du wieder hinüber«, sagte er.
    Marias Haut kribbelte. Sie hörte auf zu lächeln. »Hier gibt’s nicht viel anderes zu tun als zu schlafen«, erwiderte sie.
    Kit ging durch den Raum und ließ sich auf einer Stuhl fallen. Seine Bewegungen wirkten übermäßig präzise. Sie vermutete, daß er getrunken hatte oder auf an dere Weise high war.
    »Marco hat beschlossen, die Sache mit den nächsten Schüssen endgültig hinter sich zu bringen«, sagte er »Wir schießen, bis wir ins Angelica-System kommen.«
    Maria sank an die frisch gestrichene Wand der Kabine zurück, als ihr eine jähe Müdigkeit die ganze Energie raubte, die sie sorgsam aufgebaut hatte, seit sie aufgewacht war. Das dauerte alles schon viel zu lange.
    »Wann?« fragte sie.
    »Sie testen gerade noch mal die Software. Versuchen herauszufinden, was uns da ständig vom Kurs abbringt. Er zuckte die Achseln. »Wenn sie’s aufgeben …«
    »Ja.« Die schöne Maria schloß die Augen und genoß die warme Liebkosung der Müdigkeit. Die Elektronenwelt wob ihre Verzierungen um ihren Geist.
    »Ich geb’s auch auf«, sagte Kit.
    Etwas in seinem Ton bewirkte, daß sie die Augen aufschlug. Magnetfelder glommen am Rand ihres Sichtfelds. Jetzt wußte sie, wozu er die Drinks gebraucht hatte.
    »Ich geb’s auf«, wiederholte Kit. »Ich kann nicht mit dir zusammenleben. Ich will’s nicht mal mehr.«
    Sie sah ihn durch den dünnen Schleier der Elektronenwelt hindurch an. Ich hab ihn verletzt, dachte sie, und ich hab’s nicht mal richtig bemerkt.
    Der Gedanke schien leichter zu sein als eine Feder.
    »Tut mir leid.«
    »Ich wollt’s dir bloß sagen, solange du nüchtern bist.«
    »Zuviel Vergangenheit«, sagte Maria. »Wir haben uns zu oft benutzt.«
    »Vielleicht ist es das.« Kit sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, aber nicht recht wüßte, wie er es formulieren sollte.
    Etwas änderte sich in Marias Wahrnehmung, in den Mustern, die sich um sie herum bildeten. Die Abrazo lud wieder die Schußsoftware. Maria griff nach dem Zerstäuber unter ihrem Kissen und hob ihn an die Nase.
    »Muß das jetzt sein?« Kits Stimme war scharf.
    Maria sah ihn an. »Ja. Es muß sein.«
    Es zischte zweimal, dann kam eine kurze Kühle in der Nase. Dann das Auflodern von Feuer in den Adern, die plötzliche Konzentration der Wahrnehmungen.
    Kit stand auf. Er sah aus, als ob er gerade einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte und sich zu erinnern versuchte, was er gerade eben gemacht hatte. »Dann bringt’s nichts, wenn wir reden«, sagte er. »Und ich finde, es hat auch keinen Sinn, es jemand anderem zu sagen, okay? Das geht keinen was an. Ich werde also weiter hier schlafen.«
    »Okay.« Maria merkte, wie ein zuckendes Grinsen über ihr Gesicht ging. Das ist ernst, dachte sie und unterdrückte das Grinsen.
    »Ich hab mit Marco über Ridges Drohungen gesprochen. Der Schiffsführer hat gesagt, er würde mit ihm reden. Dir wird also nichts passieren.«
    Maria blickte zu ihm hoch und rief sich ins Gedächtnis, daß Kit von sich aus nie ihr Feind geworden wäre, daß er das nicht zu tun brauchte. »Danke«, sagte sie. »Das war nett.«
    »Vielleicht sehen wir uns später.«
    »Ja. Im nächsten Jetzt.«
    Die Tür fiel zu. Der Schuß begann.
    Und es war bereits das nächste Jetzt.

    Die letzte Serie war in vieler Hinsicht leichter als alle anderen. Die Zahl der Schüsse war größer, aber die schöne Maria steckte inzwischen so tief in der Elektronenwelt, als ob ihr Geist aus Makroatomen aufgebaut wäre. Sie brauchte keine starken Dosen Rot Neun mehr, sondern nur noch eine ausreichende Menge, um ihren Geist soweit aufzuputschen, daß sie die lebhafte Berührung des Elektronenstroms spüren konnte, und um wach und voll auf Draht zu bleiben.
    Die Abrazo sprang auf einer Bahn nach Angelica, die so unregelmäßig war wie ein Partikelblitz. Der letzte Schuß der

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