Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Kriminalrat?«
»Keine Ahnung. Ich hab sie ja noch nicht gefragt.«
Kästner hob flehend die Arme zur Zimmerdecke und ließ sie klatschend zurück auf die Stuhllehnen fallen. Aber er sagte nichts mehr. Saß nur stumm und missbilligend da und hörte zu, wie Pieplow mit dem Klausner-Wirt verhandelte.
Es war einfacher, als Pieplow gedacht hatte.
Sachbeschädigung lag vor, gar keine Frage, schickte er vorweg, und natürlich ein Fall für polizeiliche Ermittlungen. Die waren, all den anderen, wirklich furchtbaren Ereignissen zum Trotz, auch durchgeführt worden. Nur zeichnete sich jetzt das wenig befriedigende Ergebnis ab, dass die Mehrheit der Täter schuldunfähig war. Bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt. Da war es möglicherweise sinnvoller, die Kinder allesamt, sozusagen im Täter-Opfer-Ausgleich, zu einer Art Wiedergutmachung heranzuziehen. Selbstverständlich nicht als Ersatz für die Haftungspflicht der Eltern, sondern als erzieherische Maßnahme für die geständigen Täter. Ganz unabhängig vom Alter.
Kurz und gut, ob er als der Geschädigte sich mit diesem Plan anfreunden könnte, fragte Pieplow.
Der Klausner-Wirt konnte. Seine Wut hatte sich gelegt, der Schaden war geringer, als im ersten Moment erkennbar, und für tätige Reue auf dem Klausner-Gelände bis zum Herbst genug zu tun. Rasen mähen, Laub fegen, Müll sammeln und noch allerhand, das sonst teure Arbeitsstunden fraß.
»Prima«, sagte Pieplow und versprach, die Delinquenten demnächst zum Erstgespräch zu begleiten.
»Du spinnst ja, so was auf blauen Dunst anzuleiern. Was machst du, wenn die Bengels nicht kommen? Gehst du dann selbst Rasen mähen oder was?«
»Sie kommen«, sagte Pieplow. »Verlass dich drauf.«
»Oha! Unser Obermeister hat das dritte Auge. Ein unschätzbarer Vorteil im Polizeidienst, wie man hört.« Kästner tippte sich mit dem Finger mitten auf die Stirn.
»So ein Quatsch! Ich glaube eben nicht, dass die Jungs bösartig sind. Sie wissen, dass es Wichtigeres geben kann, als einen blödsinnigen Streich geheim zu halten.«
Kästner schüttelte den Kopf, schnaubte abfällig und hatte schon immer gewusst, dass Pieplow einen Vogel hatte.
Das hinderte ihn nicht, beinahe zufrieden »Kiek an« zu sagen und sich rechthaberisch am Schreibtisch zurückzulehnen, als sich die Tür nach einem vorsichtigen Klopfen öffnete. »Wen haben wir denn da?«
Sie hatten sechs Kinder und nur zwei Holzstühle in der Wachstube. Den einen nahm Enno, der andere blieb leer, bis Jette sich rechts auf die Sitzkante hockte und die linke für Mikka frei ließ. Dahinter Harri und Tom, nervös die Standbeine wechselnd, und Wiesel mit sehr cool in die Hosentaschen gehakten Daumen.
Wie selbstverständlich übernahm Kästner die Regie, beugte sich über seinen Schreibtisch vor und legte eine Hand hinter die Ohrmuschel.
»Ich höre«, sagte er barsch.
»Das am Klausner waren wir«, führte Enno das Wort. Auch er, klar. Aber er war ja nicht so blöd, das jedem gleich unter die Nase zu schmieren. Gab nur Ärger.
Kästner nickte so grimmig, dass Mikka erschrocken zu Boden sah. Er war der Jüngste und nur mitgelaufen. Den Plan ausgeheckt hatten Enno und Wiesel. Die Route auch, über die sie sich anschlichen. Die Gruselstrecke am Strand entlang, wo nachts der Damm wie ein schwarzer Höllenwall aufragte und Findlinge wie große stumme Tiere im Sand zwischen Monsterbäumen lagen, die auf knochenweiß gebleichten Stelzen wie Urzeitvögel ihre hakigen Krallen von oben herabstreckten.
Dass da Leute zum Rumknutschen hingingen, sollte mal einer verstehen. Machten sie aber. Auch in dieser Nacht. Ein Stück hinter dem Saurierbaum hatte ein Pärchen gelegen und... na ja.
Also, dass die was mit Wandas Tod zu tun hatten, konnte Enno nicht glauben.
Die anderen auch nicht. Sie schüttelten einhellig die Köpfe. Mikka wurde außerdem noch ganz rot.
Dann schon eher der Typ, der gerade in dem Moment aus dem Hochland kam, als Wiesel seinen Kopf über die oberste Stufe der Klausner-Treppe streckte. Der hatte sie nicht gesehen. Aber sie ihn, wie er rüber zum Wald lief. Ziemlich groß, schlank, Hose und Jacke sahen schwarz aus. Das Käppi auch. Der war weder langsam gegangen noch schnell. Wanderertempo eben. Mitten in der Nacht.
Wiesel zuckte mit den Schultern und schaute verständnislos.
»Weißt du, wann das war?«, fragte Pieplow und dachte an den Zeugen, der Wanda vor Mitternacht am Leuchtturm gesehen hatte.
»Genau nicht. Zwölf, schätz ich mal. Kurz
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