Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
ist«, stellte Pieplow klar.
»Ist es nicht. Versprochen.«
»Dann leg los.«
Zorro holte tief Luft und legte los. Erst stockend, dann flüssiger und ausführlicher, als es Pieplow gefiel, dessen Miene sich dann und wann mit deutlichen Zeichen von Ekel verzog.
Würmer. Solche, die in Lunge und Leber sitzen, in Milz, Magen und Herz wandern. Deren Eier über das Blut durch den Körper geschwemmt werden und Geschwüre bilden, wo sie sich einkapseln. Die eine höckrige, schrundige Leber, blutarm und impotent machen. Impotent! Das setzte Zorro noch heute mehr zu als die Angst, es könnten sich in den Höhlen und Schluchten seines Körpers noch Schistosomen finden.
Mit diesem Namen, fand Zorro, ging’s doch schon los. Selbst die erbsengroße Phantasie seiner Kumpel reichte aus, um sich darunter das Abartigste vorzustellen.
Nein, die durften nichts davon wissen. Nie im Leben. Die würden, blöd wie sie waren, ihm doch nicht mal mehr die Hand geben. Obwohl da wirklich nichts mehr war. Keine Eier, keine Würmer. Nichts.
Das hatte er Wanda zu verdanken.
Zu ihr war er gegangen, als nichts mehr half. All die Pillen und Tropfen nicht, die ihm die Quacksalber verordnet hatten, bei denen er gewesen war. Gegen Fieber und Durchfall, gegen Kopfschmerzen, Husten, Übelkeit. Mal dies, mal das. Mal mehr, mal weniger. Wochenlang.
Und Wanda?
Sie hatte ihn nicht mal berührt. War nur mit den Händen in der Luft die Konturen seines Körpers nachgefahren und hatte ihm in die Augen gesehen. Dann wusste sie, wo er gewesen war und was er von dort mitgebracht hatte.
Manila.
Seine letzte Heuer. Container von Hamburg nach Manila und zurück. Viermal war er die Route schon gefahren, die ein paar Hunderter mehr brachte als andere. So lange, bis irgendwas mit dem Zoll war, über das der Käpt’n sich ausschwieg. Statt Ladung löschen gab’s fünf Tage Landgang. Über die Märkte, auf denen er aß, was ihm schmeckte. In die Bars und Bordelle der Burgos Street, in denen Zorro die Sau rausließ. Rauchen, Saufen und dann in jedem Arm ein Mädchen, für die seine letzten Penunsen draufgingen, bis er nicht mehr wusste, wo überall in dieser heißen, nassen Stadt er gewesen war.
Wer kümmert sich in solchen Nächten um so was Albernes wie winzige Schnecken und Hautausschlag am Bein, der nach ein paar Tagen von ganz allein verschwindet, und ahnt, dass ihm dort diese winzigen, glitschigen Dinger ihre ekelhafte Fracht aufgeladen haben.
Wanda hatte ihn nur angesehen und alles gewusst.
Na, gut, das mit dem Zoll und den Mädchen nicht. Aber sonst...
Eine Woche später war er wieder gesund.
Für ihn ein Wunder, das er Wanda verdankte. Hätte sie ihn nicht ins Tropenkrankenhaus geschickt – sofort! – hätte er heute wohl eine Schrumpfleber und einen schlaffen Schwanz. Oder Würmer in den Augenhöhlen.
Als Pieplow um Viertel vor zwei seine Haustür hinter sich schloss, hatte er das dringende Bedürfnis zu duschen. Dabei spielten Sand und Gras vom Swanti eine deutlich geringere Rolle als der Gedanke an philippinische Schnecken und Würmer, denen die Pharmazie hoffentlich tatsächlich den Garaus gemacht hatte.
Er blieb so lange unter dem warmen, sauberen Strahl garantiert wurmfreien Wassers, dass es auf halb drei zuging, bis er endlich ins Bett kam. Die Hände so hinter dem Kopf verschränkt, dass sie nicht auf die mittlerweile fast hühnereigroße Beule drückten, starrte er in die Dunkelheit und fasste zusammen, was ihm die letzten Stunden gebracht hatten.
Reichlich wenig, wenn er Schlafmangel, einen dicken Bruusch am Kopf und Kenntnis von Zorros Abenteuern nicht rechnete. Darum war es ihm schließlich nicht gegangen, als er sich zum Swanti aufgemacht hatte.
Das kommt davon, wenn man auf innere Stimmen hört, warf er sich vor. Wer so verrückt ist, dem geschieht es nur recht, wenn nicht mehr dabei herauskommt, als eine überflüssige Begegnung mit Dennis Zorowski.
Irgendetwas stimmte in dieser Bilanz nicht. Das war zwar wieder mehr Gefühl als Erkenntnis, ließ sich aber nicht abschütteln. Eine Weile grübelte Pieplow noch ergebnislos darauf herum, dann fielen ihm die Augen zu. Bevor er endgültig schlief, kam ihm doch noch in den Sinn, worüber er nachdenken wollte.
Darüber, was es bedeutete, dass Wanda eine Wahrseherin gewesen sein sollte. Eine, die tief drinnen im Menschen die Wahrheit sah. Der vielleicht zum Verhängnis geworden war, was sie gesehen hatte.
Fragte sich nur, bei wem.
14
Weil vier Stunden Schlaf wohl doch etwas
Weitere Kostenlose Bücher