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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Ende gehenden Tag liefern. Dann würde die eigentliche Arbeit erst beginnen - der mühselige Versuch, die neue Kleine Wetterchiffre zu rekonstruieren - die meteorologischen Daten des Konvois zu nehmen, sie mit den Wettermeldungen zu vergleichen, die sie bereits von den ihn umgebenden U-Booten aufgefangen hatten, sie zu testen, neue Eselsbrücken zu bauen und Hilfsschemata zu konstruieren… Dieser Kampf gegen Enigma ging nie zu Ende. Es war ein Schachturnier über tausend Runden gegen einen Spieler mit schier unglaublicher Abwehrkraft, und jeden Tag kehrten die Figuren zu ihren ursprünglichen Positionen zurück, und das Spiel begann von neuem.
    Auch Logie machte einen ziemlich erschöpften Eindruck, als sie auf dem asphaltierten Weg zu Baracke 8 zurückkehrten.
    »Ich habe die anderen in ihre Quartiere geschickt, damit sie ein bißchen Schlaf bekommen«, sagte er, »und ich werde jetzt gleichfalls verschwinden. Das sollten Sie auch tun, falls Sie nicht zu aufgekratzt sind zum Schlafen.«
    »Ich werde hier noch ein bißchen aufräumen, wenn Sie nichts dagegen haben. Das Codebuch in den Tresor zurückbringen.«
    »Tun Sie das. Danke.«
    »Und dann werde ich mich wohl Wigram stellen müssen.«
    »Ach ja. Wigram.«
    Sie gingen in die Baracke. In seinem Büro warf Logie Jericho die Schlüssel zum Schwarzen Museum zu. »Und Ihr Preis«, sagte er und hielt eine halbe Flasche Whisky hoch.
    »Den dürfen wir nicht vergessen.«
    Jericho lächelte. »Haben Sie nicht gesagt, Skynner hätte eine ganze Flasche offeriert?«
    »Ja, ja, das habe ich, aber Sie kennen doch Skynner.«
    »Geben Sie sie den anderen.«
    »Seien Sie doch nicht so verdammt uneigennützig.« Logie zog zwei Emaillebecher aus einer Schublade hervor. Er blies etwas Staub beiseite und wischte sie innen mit seinem Zeigefinger aus. »Worauf wollen wir trinken? Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich anschließe?«
    »Auf das Ende von Shark? Auf die Zukunft?«
    Logie kippte in jeden Becher eine große Portion Whisky.
    »Wie wäre es«, sagte er, als er Jericho einen Becher reichte, »wenn wir auf Ihre Zukunft trinken?«
    Sie stießen miteinander an.
    »Auf meine Zukunft.«
    Sie saßen in ihren Mänteln da und tranken schweigend.
    »Ich bin völlig kaputt«, sagte Logie schließlich und stemmte sich am Schreibtisch hoch. »Ich könnte Ihnen nicht das Jahr sagen, alter Freund, geschweige denn den Tag.« Er hatte drei Pfeifen in einem Gestell und blies durch jede einmal hindurch - ein schrilles, knarrendes Geräusch -, dann schob er sie in seine Tasche. »Und vergessen Sie Ihren Scotch nicht.«
    »Ich will den verdammten Scotch nicht.« »Nehmen Sie ihn. Bitte. Um meinetwillen.« Auf dem Korridor reichte er Jericho die Hand, und Jericho fürchtete, daß er etwas sagen würde, was ihn in Verlegenheit gebracht hätte. Aber was immer er im Sinn gehabt haben mochte, er entschied sich dagegen. Statt dessen salutierte er nur kläglich und schlurfte den Korridor entlang. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.
    Der mitternächtliche Schichtwechsel stand bevor, und daher war der Ballsaal fast leer. Am hinteren Ende wurde ein wenig an Dolphin und Porpoise gearbeitet. Zwei junge Frauen in Overalls hockten um Jerichos Arbeitstisch herum auf den Knien und steckten jedes Fetzchen Papier in einen der Säcke, die später verbrannt werden sollten. Nur Cave war noch anwesend, der sich über seine Karten beugte. Er schaute auf, als Jericho hereinkam.
    »Nun? Wie läuft es bei Ihnen?«
    »Es ist noch zu früh, um etwas darüber zu sagen«, meinte Jericho. Er fand das Codebuch und steckte es in die Tasche.
    »Und bei Ihnen?«
    »Drei Treffer bisher. Ein norwegischer und ein holländischer Frachter. Beide sind sofort gesunken. Der dritte brennt und dreht sich im Kreise. Die Hälfte der Besatzung ist umgekommen, die andere Hälfte versucht, das Schiff zu retten.«
    »Was für eins ist es?«
    »Ein amerikanisches Liberty-Schiff. Die James Ogletkorpe.
    Siebentausend Tonnen, beladen mit Stahl und Baumwolle.«
    »Ein amerikanisches«, wiederholte Jericho. Kramer fiel ihm ein.
    »Mein Bruder ist umgekommen. Er war einer der ersten… «
    »Es ist ein Gemetzel«, sagte Cave, »ein gottverdammtes Gemetzel. Und soll ich Ihnen sagen, was das Schlimmste daran ist? Mit dieser Nacht wird es nicht vorbei sein. Es wird noch tagelang so weitergehen. Sie werden die ganze Strecke über den verdammten Nordatlantik gejagt und bedrängt und torpediert werden. Können Sie sich vorstellen, was für ein

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