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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Enkelkinder, aber sie waren alle ein, zwei Jahre alt, gleich groß, alle trugen Strampelhosen, gleichartige, aber in verschiedenen Farben. Kinder krabbelten über den Fußboden und auf den Betten und Sofas. Marja war im selben Zimmer, ein Baby in den Armen, aber dort waren auch Lena aus der Zeit in Sankt Petersburg und andere Frauen, aus Finnland und Russland, oder genauer gesagt, aus der Sowjetunion, auch die Studentin aus Leningrad, mit der ich mich in der Kommunalka hastig gepaart hatte, während die anderen Studenten hinter der dünnen Wand für ihre Prüfungen büffelten und einer von ihnen nur einen Meter von uns entfernt die lateinischen Namen der Knochen und Muskeln des Zwischenfußes aufsagte.
    Ich sah auch mich selbst, mit faltenfreiem Gesicht und in dem Adidas-Sportanzug, den ich beim Training in der Jugendnationalmannschaft bekommen hatte. Ich spürte seinen Geruch sogar im Traum. Ein neuer Anzug, aus dickem Material, mit Rippenbündchen an den Ärmeln und einem Schildchen am Nacken, auf dem stand: Made in Germany.
    Um halb neun wachte ich erneut auf. Ich trottete in die Küche. Der Kaffee war vom langen Stehen eingedickt, aber ich goss ihn brav in eine Tasse und gab Milch dazu, um den bitteren Geschmack zu mildern.
    »Hättest dir besser neuen gekocht.«
    Marja sortierte die Wäsche. Sie hatte das Mädchen angezogen und gefüttert, und die Spülmaschine surrte bereits.
    »Bei dir ist es gestern … spät geworden.« Marjas Tonfall änderte sich. Die Pause ersetzte das Wort »wieder«.
    Das Barometer in meinem Stirnhirn prophezeite auch an diesem Morgen stürmische Verhältnisse. Ich kaute schweigend mein Butterbrot.
    »Ich versteh das nicht, Viktor. Wieso halten sich deine Firmenund Geschäfte nicht an die normalen Bürozeiten? Dass du nicht die halbe Nacht wegbleiben musst?«
    Marja kam aus dem Hauswirtschaftsraum und strich sich ebenfalls ein Brot.
    Ich hatte keine Lust, den Tag mit Nörgeln oder Streiten zu beginnen. Also versuchte ich konstruktiv zu sein und zu erklären, dass man tagsüber baut und manchmal Überstunden macht, um im Zeitplan zu bleiben. Abends muss man mit Kunden verhandeln, Geschäfte abschließen oder auch nur Leute kennen lernen und Kontakte knüpfen. Man muss sich vernetzen, erklärte ich routiniert wie ein Firmenberater.
    »Glaubst du etwa, das ist ein Vergnügen? Für einen Mann von meiner Art?«, heischte ich um Sympathie und Anteilnahme. »Ich tue es für uns. Das weißt du doch.«
    »Ich will keine Charakteranalyse, sondern eine einfache Antwort auf meine Frage«, fauchte Marja und warf das Buttermesser so schwungvoll auf den Tisch, dass es herunterfiel.
    »Schnell, wisch das Fett auf, sonst zieht es in den Klinker …«, wies ich sie an.
    »Zum Teufel noch mal, vergiss die blöden Kacheln und bleib beim Thema. Du willst bloß raus hier.«
    »Ist dir das Haus etwa auch nicht gut genug? Ich hab verdammt hart geschuftet, damit wir ein Dach über dem Kopf haben und warme Zimmer. Für dich und für Anna.«
    »Klar doch, besten Dank auch. Es war doch deine Schuld, dass unser Haus abgebrannt ist. Mir wäre das alte Haus gut genug gewesen.«
    Das tat weh, denn es entsprach der Wahrheit. Man hatte versucht mich zu erpressen, ich sollte auf meine Geschäfte verzichten, und als ich mich geweigert hatte, war unser Haus abgebrannt. Ich hatte das Problem beseitigt, hatte dafür gesorgt,dass wir nicht mehr bedroht wurden, hatte sogar ein neues Haus gebaut, doch ich wusste, dass ich nicht alles so wiederherstellen konnte, wie es vorher war.
    »Ich muss gehen«, sagte ich.
    »Hätte ich mir denken können«, stichelte Marja. »Ich hab heute Abend etwas vor, hoffentlich hast du das nicht vergessen. Du hast versprochen, rechtzeitig zu Hause zu sein.«
    »Ja, ja. Wenn ich es nicht schaffe, schicke ich eins von den Mädchen rüber«, versprach ich.
    »Soll ich etwa mein Kind deinen Mädchen anvertrauen?«, giftete Marja.
    »Na gut, dann schicke ich einen Jungen«, gab ich zurück.
    Ich zog mich an, putzte mir die Zähne und versuchte mich zu beruhigen. Dann ging ich hinaus, um Anna über die Wange zu streicheln. Sie lag bäuchlings im Kinderwagen auf der Terrasse und schlief. Auch von Marja verabschiedete ich mich.
    »Vielleicht solltest du anfangen, Golf zu spielen, damit du überhaupt nicht mehr zu Hause herumzuhängen brauchst«, war ihre Antwort.
    Marja hatte eine spitze Zunge, wenn sie wütend war.

3
    Als ich den Rückwärtsgang einlegte, um vom überdachten Stellplatz zu fahren, klopfte

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