Entfernte Verwandte: Kriminalroman
anderswo ist sie auch gekommen. Aber ich habe sie nicht. Also brauche ich mir darüber keine Gedanken zu machen.«
»Wir hätten sie per Schiff nach Schweden weitergeleitet«, vertraute der Bote mir an. »Niedliche, harmlose Studentinnen … die nehmen gern ein bisschen zusätzliches Gepäck mit. Das finden sie einfach nur spannend.«
Nun war der Petersburger Kurier unterwürfig wie ein junger Hund gegenüber einem alten Rüden.
»Leb wohl!«, knurrte ich.
Der junge Mann gab mir seine Tasche und ging.
38
Ein kleiner roter Hyundai brauste auf den Hof, hätte beinahe den Torpfosten gerammt. Oksana verbreitete Hektik.
»Ogottogott, schreckliche Eile, ich läufe und läufe … Setzung mit Marja«, schnaufte meine Sekretärin und ging ins Haus.
Ich folgte ihr und versprach, die Kinder zu hüten, damit sie nicht bei der Arbeit störten. Oksana holte Papiere aus ihrer Tasche und legte sie auf Marjas Schreibtisch, wobei sie unaufhörlich schwatzte. Marja fuhr in aller Ruhe ihren Computer hoch und gab Oksana halblaut Anweisungen.
Frolows Geschäfte hatten mit seinem Tod geendet. Im Baubereich hatte er zuletzt nur ein paar Aufträge als Subunternehmer gehabt, bei denen er ein halbes Dutzend estnische und rumänische Bauarbeiter beschäftigt hatte. Ich hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Arbeit zu Ende führen konnten, hatte ihnen auch den ausstehenden Lohn gezahlt, damit sie nicht mit leeren Taschen nach Hause zurückzukehren brauchten. Ich bin nicht das Sozialamt, hatte ich den Männern gesagt, doch sie sollten bekommen, was Frolow ihnen schuldig geblieben war.
Sein teuerstes Erbe hatte Frolow allerdings in den Mietwohnungen in Punavuori hinterlassen. Als Ablösung für Zinaida und Jelena waren neue Mädchen eingetroffen, und so hatte ich mich nun statt um zwei um vier Frauen zu kümmern.
Ich hatte mich rasch mit Oksana beraten. Sie hatte sich bekreuzigtund gejammert, Gospodin erbarme dich, es sei einfach nicht möglich, dass sie und ihr lieber Esko alle Mädchen als Putzfrauen beschäftigten. Zwar gebe es auf der Welt Staub und Schmutz genug, doch das Personal müsse angelernt werden, bei der Immobilienpflege gehe es heute eher um Chemie als um das Besenschwingen. Die Sprache müsse man auch beherrschen, wenigstens einige Brocken Finnisch, ach du lieber Himmel, o heilige Verklärung …
Ich unterbrach die Anrufung höherer Mächte mit der Bemerkung, zum Mixen von Putzmitteln brauche man wohl keinen Universitätsabschluss. Oksana solle vorläufig dafür sorgen, dass die Frauen genug zu essen hatten. Wohnen könnten sie weiterhin in Punavuori.
Zu Hause überlegte ich weiter, auch abends im Bett noch, auf dem Rücken liegend, die Arme hinter dem Nacken. Ich dachte an die geschäftstüchtige Tochter des Arbeitskräftehändlers Luoma und ihre Geschäftsidee, an die Kommunen, die private Dienstleister in Anspruch nahmen, und an den Bedarf an Pflegepersonal … und dann erinnerte ich mich an die Themen, die Marja in der Staatlichen Forschungs- und Entwicklungszentrale für Soziales und Gesundheit untersucht hatte, und an ihr Studium der Sozialpolitik.
»Schläfst du schon?«, fragte ich Marja. Ich erklärte ihr in aller Kürze die Situation, in die ich geraten war und die man entweder als lästige Pflicht oder als Chance begreifen könne. Irgendetwas müsse jedenfalls getan werden, man könne die Frauen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, argumentierte ich. Dann präsentierte ich Marja die Geschäftsidee und das Betriebsmodell, sagte, so kommst du von deinen Kurzzeitjobs los und bist dein eigener Herr, oder deine eigene Frau, wie auch immer.
Marja überlegte eine halbe Minute lang, sagte dann okay und begann bald darauf zu schnaufen, fast zu schnarchen. Sie war gleich eingeschlafen.
Wie unkompliziert sie ist, dachte ich zärtlich.
Marja gab Oksana ruhig und gelassen Anweisungen und Ratschläge. Der Pflegedienst Restum, Takala & Pelkonen hatte sich rasch entwickelt. Marja hatte rekapituliert, was sie im Studium gelernt hatte, und sich in die Paragraphen vertieft, bis sie die Gewissheit hatte, dass man keinerlei Genehmigungen brauchte, um Menschen zu Hause zu pflegen und ihnen zu helfen. Eine Mitteilung an die Stadt genügte. Daraufhin hatte sie die Gründung sofort in die Wege geleitet, mit Oksana über die Gesellschaftsordnung und den Teilhabervertrag verhandelt und das Unternehmen beim Firmenregister und beim Finanzamt angemeldet.
Bei allem Lärm, den sie machte, war Oksana im juristischen Sinn stille
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