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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Seite. Das verlangsamte ihn gerade genug, dass Daisuke sich umdrehen und ihm den Rest geben konnte.
      Mein Gesicht fühlte sich kalt und nass an. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich weinte. Ich wollte jetzt nur noch sehen, dass es Reyn und River gut ging, dass sie unverletzt waren.
      Schnelle Schritte schienen aus der Dunkelheit zu kommen. Wir fuhren herum, waren aber nicht schnell genug. Jemand schlug mit wütendem Gebrüll auf Roberto ein. Daisuke stürzte sich sofort auf den Angreifer, trat ihn zu Boden und schlug ihm den Kopf ab. Ich hörte, wie die Klinge den Knochen durchschlug, und verzog angewidert das Gesicht. Dann sah ich zu Roberto, um mich zu vergewissern, dass er okay war. Er war nicht mehr da. Er war verschwunden. Wie betäubt ließ ich meinen Blick umherschweifen, aber erst als ich Daisukes betroffenes Gesicht sah, kam ich auf die Idee, auf dem Boden nachzusehen. Robertos Körper lag vor meinen Füßen; sein Kopf einen Meter entfernt. Sein hübsches Gesicht war im Tode entspannt und ausdruckslos. Rivers jüngster Bruder war tot.
      Ich beugte mich vor und übergab mich.
      »Wir müssen den anderen helfen«, sagte Daisuke beinahe liebevoll. Er nahm mich am Arm und ging los, wobei er mich hinter sich herzog wie einen Mühlstein. Ich wischte mir mit der Hand über den Mund und schaffte es tatsächlich, auf den Beinen zu bleiben. Ich funktionierte nur noch, jenseits von Grenzen, die ich nie für möglich gehalten hätte, benommen, unter Schock und mit solchen Schmerzen, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
      Hinter dem Haus war niemand mehr am Leben, deshalb gingen wir zur Vorderseite. Es war unglaublich verlockend, einfach mit dem Gesicht voran in den Dreck zu fallen und den Tränen freien Lauf zu lassen, aber wenn ich das tat, würde garantiert jemand kommen und mir meinen jämmerlichen Kopf abschlagen.
      Auch vor dem Haus herrschte Ruhe, wenn man vom Zischen und Knacken der brennenden Holzverschalung absah. Asher war auf der Veranda und wollte ins Haus gehen, entdeckte uns aber vorher.
      Ich war erleichtert, Amy zu sehen, auch wenn sie geschockt aussah, voller Blut war und ein Arm schlapp herunterhing. Brynne fiel es schwer, sich auf den Beinen zu halten, denn ihr hübsches Gesicht war über einem Wangenknochen aufgeschlitzt und Blut hatte ihre Schulter und ihre Seite durchtränkt. Als sie mich und meine blutgetränkte Vorderseite sah, verzog sich ihr verletztes Gesicht. Sie streckte mir eine Hand entgegen und ich griff schwächlich danach, unglaublich froh, dass sie noch am Leben war.
      Aber wo war Reyn? Und wo war River?
      Asher suchte hinter Daisuke nach Roberto. Daisuke schüttelte den Kopf. Asher wurde blass - unter all dem Schmutz und Blut wirkte seine Haut fast weiß. Dann bemerkte er meine Bauchwunde, mein grünes Gesicht und die dunklen Ringe um meine Augen.
      »Wo ist Anne?«, fragte Daisuke.
      »Ich weiß es nicht«, antwortete Asher mit ernster Miene. »Jess hat es nicht geschafft.«
      »Wir haben Solis gefunden.« Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich die dünne, keuchende Stimme als meine eigene erkannte. »Oh nein«, rief Amy.
      Von unseren Leuten waren Jess, Solis und Roberto tot. Ich wagte nicht, nach denen zu fragen, die meinem Herzen am nächsten waren, die Menschen, ohne die ich nicht leben konnte - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
      Wo war Reyn? Oh mein Gott, wenn ich irgendwo seine Leiche finden würde - die Vorstellung, dass er tot sein könnte, versetzte mich mehr in Panik als der ganze Horror, dem ich bis jetzt ausgesetzt gewesen war. Ich hatte die Frage schon auf den Lippen, sprach sie aber nicht aus. Solange ich es nicht wusste, bestand die Möglichkeit, dass er am Leben war. Wenn jemand bestätigte, dass er tot war, wüsste ich nicht, was ich tun sollte.
       Die Haustür stand in Flammen, denn das alte Holz brannte wie Zunder. Die Farbe löste sich in Streifen, die erst braun und dann schwarz wurden. Ich stieg die Eingangsstufen hinauf, fest entschlossen, mit den anderen ins Haus zu gehen.
      Eine enorme Kraft wallte uns durch die brennende Tür entgegen. Sie hielt mich zurück und ließ Asher und Daisuke taumeln. Dann schritt ein großer, schwerer Mann mitten durch die Flammen und zog eine kleinere Person an einem Arm hinter sich her: River. Sie hatte Prellungen im Gesicht, ihre Nase blutete und sie wirkte benommen. Asher wollte zu ihr eilen, aber der große Mann streckte nur die Hand aus und eine unsichtbare Kraft

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