Entflammte Nacht
selbsternannte Boots fort, »aber es besteht dennoch kein Grund, derart energisch gegen meine Person vorzugehen.« Mit tiefem Argwohn beäugte er den Sonnenschirm.
Alexia ließ ihn sinken. »Was sind Sie dann?«
»Oh, niemand von Bedeutung, Mylady. Nur einer von Lord Akeldamas …«, eine flüchtige Handbewegung wies auf die allgemeine Pracht des Hauses, »… neueren Jungs.« Der Gentleman strich sich mit einem angestrengten Stirnrunzeln über eine seiner Koteletten. »Er hat mich zurückgelassen, damit ich Ihnen etwas verrate. Eine Art geheime Botschaft.«
Er blinzelte verschwörerisch, dann schien er es sich anders zu überlegen und unterließ seine Koketterie, weil der Sonnenschirm erneut gegen ihn erhoben wurde.
»Ich glaube, sie ist verschlüsselt.« Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und stellte sich kerzengerade hin, als wolle er ein langes Gedicht von Byron rezitieren. »Nun, wie lautete sie noch gleich? Wir hatten früher mit Ihnen gerechnet, und mein Gedächtnis ist nicht so … Ach ja: Schau dir die Katze an!«
»Das ist alles, was er mir zu sagen hatte?«
Die grün gekleideten Schultern zuckten. »Fürchte, ja.«
Einige Augenblicke lang starrten sie einander schweigend an.
Schließlich räusperte sich Boots zaghaft. »Nun gut, Lady Maccon. Wenn das dann alles wäre?« Und ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sich zum Gehen. »Adieu-le! Muss weiter, Sie verstehen schon. Wünsche noch einen wunderschönen Tag!«
Alexia trabte ihm hinterher. »Aber wohin sind sie denn alle verschwunden?«
»Fürchte, das kann ich Ihnen nicht sagen, Lady Maccon. Soweit ich das verstehe, wäre das nicht sicher. Ganz und gar nicht sicher.«
Alexias Verwirrung verwandelte sich in Sorge. »Nicht sicher für wen? Für Sie, mich oder Lord Akeldama?« Ihr fiel auf, dass er nicht direkt zugegeben hatte, den neuen Aufenthaltsort seines Meisters zu kennen.
Boots hielt an der Tür kurz inne und sah zu ihr zurück. »Na, machen Sie sich mal keine Sorgen, Lady Maccon! Es wird schon alles gut werden. Lord Akeldama wird dafür sorgen. Das tut er immer.«
»Wo ist er?«
»Na, mit den anderen zusammen natürlich! Wo sollte er sonst sein? Unterwegs, Sie wissen ja, wie das ist. Eine recht zahlreiche Gruppe ist zur Jagd aufgebrochen, Sie verstehen, sozusagen auf Spurensuche. Auf der Suche nach …« Er verstummte. »Ups! Kümmern Sie sich nicht darum, Lady Maccon. Widmen Sie sich einfach nur dem, was seine Lordschaft über die Katze sagte. Tschüssi!«
Und mit diesen Worten machte er eine komische kleine Verbeugung und ließ sich selbst aus dem Haus.
Verwirrt kehrte Alexia in den Salon zurück, wo die gescheckte Katze immer noch Hof hielt. Das einzig Merkwürdige an dem Tier, von seinen mörderischen Neigungen in Bezug auf Troddeln einmal abgesehen, war das Metallhalsband, das es trug.
Alexia nahm es ab und ging damit ans Fenster, um es im Sonnenlicht genauer zu betrachten. Es war dünn genug, um sich zu einem flachen Band ausrollen zu lassen, und über die gesamte Länge war ein augenscheinlich zufälliges Muster aus Punkten eingestanzt. Es erinnerte Alexia an etwas. Sanft strich sie mit einer behandschuhten Fingerspitze über die Prägung, während sie versuchte, sich darauf zu besinnen.
Ach ja. Es sah aus wie die Lochbänder in Musikmaschinen, die diese sich wiederholenden Melodien abspielten, die kleine Kinder so begeisterten und Erwachsenen so auf die Nerven gingen. Wenn dieses Band ebenfalls in der Lage war, irgendeine Art von Klängen zu erzeugen, dann brauchte sie eine Möglichkeit, um sie sich anzuhören.
Sie hatte nicht vor, Lord Akeldamas gesamten Haushalt auf den Kopf zu stellen, ohne genau zu wissen, nach welchem Gerät sie überhaupt suchen sollte, und zudem konnte sie sich ohnehin denken, dass der fragliche Vampir nicht so leichtsinnig war, es in diesen Räumen zurückzulassen. Ihr fiel nur eine einzige Person ein, die ihr in diesem Punkt helfen konnte: Madame Lefoux.
Entschlossen marschierte sie hinaus zu der wartenden Kutsche.
3
Alexia befasst sich mit Insektenkunde
J emand versuchte, Lady Alexia Maccon zu töten. Das kam ihr höchst ungelegen, denn sie hatte es schrecklich eilig.
In Anbetracht der Tatsache, wie vertraut sie bereits mit Nahtod-Erfahrungen war und wie relativ häufig diese ihre Person befielen, hätte Alexia vermutlich ein wenig mehr Zeit für solch einen vorhersehbaren Zufall einplanen sollen. Nur fand das unangenehme Ereignis in diesem speziellen Fall am
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