Entflammte Nacht
helllichten Tag statt, während sie gerade die Oxford-Street entlangfuhr – was in der Regel weder die zu erwartende Zeit noch der zu erwartende Ort dafür war.
Dabei saß sie nicht einmal in einer Mietkutsche. Alexia rechnete mittlerweile jedes Mal mit Angriffen, wenn gemietete Transportmittel im Spiel waren, doch diesmal fuhr sie mit einem privaten Gefährt. Sie hatte die Kutsche von Squire Loontwill stibitzt. Da ihr werter Herr Stiefvater sie hochkant rausgeworfen hatte, dachte sie sich, dass es ihm wohl nichts ausmachen würde, wenn sie sein persönliches Fortbewegungsmittel mit all ihren weltlichen Besitztümern belud und es sich einen Tag lang ausborgte.
Wie sich herausstellte, machte es ihm sehr wohl etwas aus, doch sie war nicht anwesend, um Zeuge seiner Verärgerung zu werden. Am Ende war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich die Ponykutsche seiner Frau zu leihen, ein mit gelbem Tüll und pinkfarbigen Rosetten verziertes Gefährt, das weder seiner erwürdigen Person entsprach noch für seinen Leibesumfang auch nur annähernd geeignet war.
Alexias Angreifer schienen nicht geneigt zu sein, sich an die etablierten Muster in Sachen Mord zu halten. Zum einen waren sie nicht übernatürlich. Zum anderen tickten sie – ziemlich laut sogar. Zu guter Letzt krabbelten sie auch noch. Sie tickten, weil sie – soweit Alexia das beurteilen konnte, und sie zog es lieber vor, ihnen nicht allzu nahe zu kommen – von einem Uhrwerk oder irgendeiner Art von Aufziehmechanismus angetrieben wurden. Und sie krabbelten, weil sie Käfer waren – große, glänzend rote Käfer mit schwarzen Punkten und facettierten Glasaugen. Anstelle von Fühlern ragten garstig aussehende Injektionsnadeln aus ihren Köpfen.
Ihre Kutsche wurde von Marienkäfern überfallen, einer ganzen Herde davon!
Jeder dieser Marienkäfer war ungefähr so groß wie Alexias Hand. Sie krabbelten überall auf dem Gefährt herum in dem Versuch, ins Innere zu gelangen. Unglücklicherweise war dazu nicht allzu viel Aufwand nötig, denn das offene Schiebefenster über der Tür war groß genug, dass jeder gewöhnliche Killerkäfer geradewegs hereinmarschieren konnte.
Mit einem Satz sprang Alexia auf, wobei sie ihren armen Hut an der Decke der Kabine zerdrückte, und versuchte, das Fenster zuzuschieben, doch sie war viel zu langsam. Für so rundliche Geschöpfe waren die Käfer erstaunlich schnell.
Bei näherer Betrachtung der Fühler zeigte sich, dass aus den Nadelspitzen winzige Tröpfchen einer Flüssigkeit quollen – vermutlich irgendeine Art Gift. Sie unterzog ihre Einschätzung der Angreifer einer kleinen Nachbesserung: mörderische, mechanische, tropfende Marienkäfer – bäh!
Beherzt schnappte sie sich ihren treuen Sonnenschirm und schlug mit dem schweren Griff nach dem erstbesten der mechanischen Geschöpfe. Die Kreatur krachte gegen die gegenüberliegende Wand, fiel auf die Sitzbank und krabbelte erneut in ihre Richtung. Ein weiteres Käferchen kroch an der Wand empor und auf sie zu, und ein drittes schob sich gerade neben ihrer Schulter vom Fenstersims.
Alexia kreischte auf, teils vor Angst, teils vor Wut, und schlug auf die Kreaturen ein, so hart und schnell es ihr in der Enge der Kutsche möglich war. Gleichzeitig versuchte sie sich auf irgendeinen Bestandteil im Arsenal ihres Sonnenschirms zu besinnen, der ihr in dieser speziellen Situation hilfreich sein könnte. Aus unerfindlichen Gründen hatte Madame Lefoux bei seinem Innenleben keine Schutzmaßnahmen gegen Marienkäfer berücksichtigt. Die Fläche, die der giftige Nebel abdeckte, wäre nicht groß genug gewesen, um sie alle zu erwischen, und außerdem gab es keine Garantie, dass das lapis solaris oder das lapis lunearis irgendeine Wirkung auf die Kreaturen haben würden. Diese Flüssigkeiten waren dazu gedacht, organische Stoffe aufzulösen, keine Metalle, und der rot-schwarze Panzer sah aus, als wäre er aus einer Art schützendem Lack oder Emaille.
Sie holte aus und hieb auf drei weitere Käfer ein, die über den Boden der Fahrgastkabine krabbelten, dabei hielt sie den Schirm verkehrt herum und schwang ihn, als wäre er ein Krocketschläger. In der Kutsche schien es von diesen Viechern nunmehr geradezu zu wimmeln, und alle versuchten, ihre tropfenden Fühler in irgendeine Stelle von Alexias Körper zu pieksen.
Eines davon kam ihrem Arm gefährlich nahe, bevor sie es fortschlagen konnte. Ein anderes kletterte an ihr hoch bis zur Taille und stach zu, scheiterte allerdings
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