Entflammte Nacht
dennoch halten Sie es für möglich, dass ein Werwolf ein Kind zeugen könnte?«
Lyall hatte gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde. »Es ist nicht so, dass ich die Antwort auf das Wie kenne. Aber ich kenne jemanden, der meint, dass es möglich wäre. Einige sogar. Und die irren sich in solchen Angelegenheiten für gewöhnlich nicht.«
»Die? Die wer?«
»Die Vampire.« Obwohl er sich nie besonders wohl fühlte, wenn er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, versuchte er dennoch, seine Erklärungen weiter auszuführen, als sich alle Blicke auf ihn richteten. »Bevor Lady Maccon nach Schottland ging, versuchten zwei Vampire, sie zu entführen. Während sie sich an Bord des Luftschiffs befand, wurde ihr Tagebuch gestohlen, und jemand wollte sie vergiften. Die meisten der anderen Zwischenfälle, die sich im Anschluss daran im Norden ereigneten, können Angelique zugeschrieben werden.« Professor Lyall nickte Madame Lefoux zu. »Aber bei diesen drei Vorfällen kann es die Zofe nicht gewesen sein. Ich glaube, dass das Westminster-Haus für die versuchte Entführung und den Diebstahl des Tagebuchs verantwortlich ist, vermutlich auf Lord Ambroses Befehl hin. Es klingt nach Ambrose. Er war schon immer ungeschickt, wenn es ums Spionieren ging. Die Entführer, denen ich in die Quere kam, behaupteten, dass sie Befehl hätten, Lady Maccon kein Leid zuzufügen, sondern nur den Auftrag hätten, etwas zu überprüfen – vermutlich, ob es bei ihr Anzeichen für eine Schwangerschaft gab. Ich glaube, sie stahlen das Tagebuch aus demselben Grund – um zu erfahren, ob sie etwas über ihren Zustand niedergeschrieben hatte. Natürlich war es ihr selbst noch nicht bewusst gewesen, deshalb dürften die Vampire nichts erfahren haben. Der Giftanschlag andererseits …«
Lyall warf einen Blick zu Tunstell hinüber, der das versehentliche Opfer dieses verpfuschten Mordversuchs geworden war, dann fuhr er fort.
»Das Westminster-Haus würde erst eine Bestätigung abwarten, bevor es so endgültige Maßnahmen ergreift, zumal wenn es sich um die Frau eines Alpha-Werwolfs handelt. Aber diejenigen, die nicht an ein Vampirhaus gebunden sind, sind nicht so zurückhaltend.«
»Es gibt nur sehr wenige Vampir-Schwärmer, die über so viel politische Macht verfügen und so wenig Respekt vor den gesellschaftlichen Regeln haben, wie dazu nötig ist, die Frau eines Alpha-Werwolfs ermorden zu wollen«, meinte Madame Lefoux leise.
»Einer davon ist Lord Akeldama«, sagte Lyall.
»Das würde er nicht tun! Oder doch?« Tunstell sah nun weniger wie ein Schauspieler und mehr wie der halbwegs verantwortungsbewusste Claviger aus, der er einst gewesen war.
Unverbindlich neigte Professor Lyall den Kopf. »Erinnern Sie sich noch? Als die Zeitungen über Miss Alexia Tarabottis Verlobung mit Lord Maccon berichteten, wurden bei der Krone offizielle Beschwerden eingereicht. Wir taten das damals als eine Sache der Vampir-Etikette ab, aber allmählich glaube ich, dass manche Vampire bereits ahnten, dass so etwas geschehen könnte.«
»Und bei dem, was die morgendlichen Klatschblätter nun geschrieben haben …« Tunstell wirkte noch besorgter.
»Genau«, stimmte Professor Lyall zu. »Die Vampire sehen all ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt – Lady Maccon ist schwanger. Und während der Rest der Welt darin einen Beweis für ihre angebliche Untreue sieht, scheinen die Blutsauger ihren Unschuldsbeteuerungen zu glauben.«
Madame Lefoux legte besorgt die Stirn in Falten. »Also sehen die Vampirhäuser, die ursprünglich zur Gewaltlosigkeit tendierten, ihre Befürchtungen bestätigt, und gleichzeitig hat Alexia den Schutz des Woolsey-Rudels verloren.«
Mit einem Mal drückte Flootes normalerweise leidenschaftslose Miene Besorgnis aus.
Professor Lyall nickte. »Alle Vampire wollen nur noch das eine: ihren Tod!«
4
Tee und Beleidigungen
L ady Maccon war bei ihrem dritten Stück Toast und ihrer vierten Kanne Tee angelangt und vertrieb sich die Zeit damit, finster die eine oder andere junge Lady anzufunkeln, nur um zu sehen, welche Schattierung des Errötens sie bei ihr damit hervorrufen konnte. Sie war der Antwort auf die Frage, wer ihr den Tod wünschte, keinen Schritt näher gekommen – es gab einfach zu viele Möglichkeiten –, doch sie hatte ein paar konkrete Entscheidungen in Bezug auf ihre unmittelbare Zukunft gefällt. Eine nicht gerade unbedeutende davon war, dass es für sie am sichersten war, London zu verlassen, nun, da Lord
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