Entflammte Nacht
Lefoux die Arme vor der Brust.
Professor Lyall verdrehte die Augen. »Dieser unmögliche Welpe!«
Floote heftete sich dem neugierigen Tunstell an die Fersen und bewahrte ihn vor allzu gefährlichen Ablenkungen.
»Wie ich sehe, gibt es einen Grund dafür, warum sich Lord Maccon nie dazu entschied, ihm den Metamorphose-Biss zu geben.« Madame Lefoux beobachtete das Treiben amüsiert.
»Abgesehen von der Tatsache, dass er davongelaufen ist, geheiratet hat und das Rudel verließ?«
»Ja, abgesehen davon.«
Tunstell hielt inne, um sich ein Brilloskop zu schnappen und auf die Nase zu setzen. Seit Madame Lefoux am Londoner Markt tätig war, war diese Sehhilfe praktisch allgegenwärtig. Sie wurde wie eine Brille getragen, sah aber wie der missgestaltete Sprössling eines Teleskops und eines Opernglases aus. Eigentlich hieß das Gerät »Monokulare Trans-Magnifikations-Linsen mit Skalen-Modifikatoraufsatz«, doch Alexia nannte es Brilloskop, und Professor Lyall musste beschämt zugeben, dass sogar er es inzwischen so bezeichnete.
Mit einem durch das Instrument abscheulich vergrößerten Auge zwinkerte Tunstell ihnen zu.
»Sehr schick«, bemerkte Professor Lyall, der selbst mehrere davon besaß und damit oft in der Öffentlichkeit gesehen wurde.
Floote warf Professor Lyall einen finsteren Blick zu, nahm Tunstell das Brilloskop ab und bugsierte ihn zurück zu Madame Lefoux, die mit lässig verschränkten Armen und Beinen an der Wand lehnte. Hinter ihr waren große, mit Bleistift auf steifes gelbes Papier gekritzelte Diagramme wahllos an die Wand geheftet.
Endlich wurde Professor Lyall klar, was an der Erfinderwerkstatt seit seinem letzten Besuch so anders war: Es war ruhig. Normalerweise war das Labor beherrscht vom Brummen laufender Maschinen, dem Zischen von Dampf, der pfeifend und keuchend in kleinen Wölkchen aus zahlreichen Öffnungen entwich, dem Klackern von Zahnrädern, klirrenden Metallketten und kreischenden Ventilen. An diesem Tag war alles still. Außerdem wirkte der Ort trotz aller Unordnung, als würde etwas fehlen.
»Planen Sie eine Reise, Madame Lefoux?«
Die Französin sah den Woolsey-Beta an. »Das hängt davon ab, warum Alexia uns hier zusammengerufen hat.«
»Aber die Möglichkeit besteht?«
Sie nickte. »Unter diesen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit, so wie ich Alexia kenne.«
»Ein weiterer Grund, Quesnel auf ein Internat zu schicken.«
»Ganz recht.«
»Für so eine vergleichsweise kurze Bekanntschaft kennen Sie Lady Maccons Charakter sehr gut.«
»Sie waren nicht mit uns in Schottland, Professor. Das schuf zwischen uns eine gewisse Vertrautheit. Darüber hinaus habe ich sie zu meinem Lieblingsforschungsprojekt erkoren.«
»Ach, wirklich?«
»Bevor Alexia ankommt …«, wechselte Madame Lefoux das Thema. »Ich nehme an, Sie haben alle die Morgenzeitungen gelesen?« Sie stieß sich von der Wand ab und nahm eine eigentümlich männliche Haltung ein: breitbeinig wie ein Boxer bei White’s, der auf den ersten Hieb wartete.
Die Männer um sie herum nickten bestätigend.
»Ich fürchte, diesmal verbreiten sie ausnahmsweise einmal keine Lügen. Alexia zeigt alle Anzeichen dafür, guter Hoffnung zu sein, und wir müssen davon ausgehen, dass meine anfängliche Diagnose von einem Arzt bestätigt wurde. Ansonsten wäre Alexia wahrscheinlich längst wieder auf Woolsey Castle, um Lord Maccon den Kopf abzubeißen.«
»Mir sind aber keine dieser besagten Anzeichen aufgefallen«, protestierte Tunstell, der ebenfalls mit Madame Lefoux und Lady Maccon in den Norden gereist war.
»Denken Sie denn, dass Sie normalerweise auf diese Anzeichen achten würden?«
Daraufhin lief Tunstell rot an. »Nein. Da haben Sie natürlich völlig recht. Ganz sicher nicht!«
»Dann sind wir uns also einig, dass das Kind von Lord Maccon ist?« Eindeutig wollte Madame Lefoux herausfinden, welchen Standpunkt die anderen in dieser Angelegenheit vertraten.
Niemand sagte etwas. Nacheinander sah die Erfinderin sie an. Nacheinander nickten erst Floote, dann Tunstell und dann Lyall zustimmend.
»Das hatte ich bereits angenommen, sonst wäre keiner von Ihnen ihrer Bitte um dieses heimliche Treffen nachgekommen, so verzweifelt ihre Umstände auch sein mögen. Dennoch ist es eigenartig, dass niemand von Ihnen Alexias Aufrichtigkeit in Frage stellt.« Die Französin musterte Professor Lyall mit scharfem Blick. »Über meine eigenen Gründe bin ich mir im Klaren, aber Sie, Professor Lyall, sind Lord Maccons Beta. Und
Weitere Kostenlose Bücher