Entflammte Nacht
umgebauten Jagdaufseherhütte.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie tatsächlich ein richtiger Professor sind?« Madame Lefoux legte den Kopf schief und musterte ihn mit neu gewonnenem Respekt aus leicht zusammengekniffenen Augen.
»Nicht im eigentlichen Sinne. Ich betreibe amateurhafte Wiederkäuerforschung, um genau zu sein.«
»Oh.«
Professor Lyall strahlte bescheidenen Stolz aus. »Ich gelte als ziemlicher Experte auf dem Gebiet des Fortpflanzungsverhaltens der Ovis orientalis aries.«
»Schafe?«
»Schafe.«
»Schafe!« Madame Lefoux’ Stimme klang mit einem Mal hoch, als kämpfe sie gegen den plötzlichen Drang zu kichern.
»Ja, so wie Määäh«, sagte Professor Lyall stirnrunzelnd. Schafe waren eine ernste Angelegenheit, und er verstand nicht, was der Grund für Madame Lefoux’ Erheiterung war.
»Nur, damit ich das richtig verstehe … Sie sind ein Werwolf und interessieren sich für die Schafszucht?« Vor Belustigung schlich sich ein leichter französischer Akzent in Madame Lefoux’ Aussprache.
Professor Lyall ignorierte ihre Heiterkeit und fuhr tapfer mit seiner Erklärung fort. »Ich konserviere nicht lebensfähige Embryonen in Formaldehyd, um sie später untersuchen zu können. Lord Maccon trank meine Proben. Als ich ihn zur Rede stellte, gab er zu, dass ihm sowohl das erfrischende Getränk als auch die ›knackigen eingelegten Happen‹ gemundet hätten. Ich war nicht erfreut darüber.« Professor Lyall war der Meinung, zu diesem speziellen Thema alles gesagt zu haben. »Können wir fortfahren?«
Madame Lefoux verstand den Wink und ging zum hinteren Teil des Ladens. Dort in einer Ecke befand sich ein hübscher Präsentiertisch mit Marmorplatte, auf dem eine ansehnliche Auswahl von Handschuhen ausgebreitet war. Die Französin hob eine der vielen Handschuhschachteln an und enthüllte darunter einen Hebel. Sie drückte ihn fest nach unten, und in der Wand vor ihr schwang eine Tür auf.
»Also so was!« Tunstell, der Madame Lefoux’ Labor noch nie gesehen hatte, war beeindruckt. Floote hingegen blieb von dem beinahe magischen Erscheinen der Tür völlig ungerührt. Nur sehr wenig konnte den unerschütterlichen Floote jemals aus der Fassung bringen.
Die verborgene Tür führte weder zu einem Zimmer noch in einen Gang, sondern in eine große käfigartige Vorrichtung. Sie traten ein, Tunstell mit lautstark geäußerter Beklommenheit. »Ich weiß nicht recht, Leute. Sieht aus wie so ein Dingsbums, mit dem man Tiere fängt, so wie mein Freund Yardley sie benützt. Kennen Sie Winston Yardley? Ziemlich bekannter Entdecker. Er war da auf diesem reißenden Fluss unterwegs, dem Burhi-Dihing, glaube ich, und kam mit einem Riesenschiff voller Käfige zurück, genau wie der hier, mit den fürchterlichsten Arten von Tieren drin. Bin mir nicht sicher, ob ich das gutheißen kann, in so ein Ding zu klettern.«
»Das ist eine Aufzugskabine«, erklärte Madame Lefoux dem besorgten Rotschopf. Sie drückte einen Hebel, der die Tür zum Laden schloss, und zog dann das kleine Sicherheitsgitter aus Metall an der offenen Seite des Käfigs zu. »Die Kammer fährt mit Hilfe von Kabeln und Führungsschienen zwischen den Stockwerken auf und ab, und zwar so.«
Sie zog an einer Schnur, die sich an einer Seite des Käfigs befand, und setzte ihre Erklärungen fort, während die Kabine nach unten sank. Sie musste die Stimme heben, um den Lärm zu übertönen, der sie begleitete.
»Über uns befindet sich eine mit Dampf betriebene Winde. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie ist absolut dazu in der Lage, unser Gewicht zu tragen und uns mit gemächlicher Geschwindigkeit nach unten zu befördern.«
Das war tatsächlich der Fall, wie sich herausstellte, als sie unter vielen bedrohlich wirkenden Dampfwolken, die in den Käfig pafften, und einigem Knirschen und Ächzen, das Tunstell zusammenzucken ließ, in die Tiefe sanken. Allerdings ließ sich über Madame Lefoux’ Definition einer gemächlichen Geschwindigkeit streiten, da die Vorrichtung jäh nach unten sackte und mit einem solchen Rumpeln auf dem Boden aufkam, dass alle ums Gleichgewicht kämpfen mussten.
»Irgendwann werde ich das wohl in Ordnung bringen müssen«, meinte die Französin mit einem verlegenen kleinen Lächeln, bei dem sich kleine Grübchen zeigten. Sie rückte sich Halsbinde und Zylinder zurecht und führte die drei Männer in einen Gang, der weder von Gaslampen noch Kerzen beleuchtet wurde, sondern von einem orangefarbenen Gas, das schwach glühend durch
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