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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ist, ist auch dein, Davie, mein Sohn, was mir gehört, gehört auch dir. Blut ist dicker als Wasser, und das Geschlecht der Balfour ruht auf unseren vier Augen.«
    Dann schwatzte er weiter über unsere Familie und ihren früheren Glanz. Er erzählte, wie sein Vater das Haus habe vergrößern wollen und wie er dann selber den Bau wieder eingestellt und mit der sündhaften Verschwendung Schluß gemacht habe. Das brachte mich auf den Einfall, ihm Jennet Cloustons Botschaft auszurichten.
    »Die alte Vettel«, schrie er erbost, »zwölfhundertundneunzehnmal verwünscht hat sie mich. Das wäre also jeden Tag, seitdem ich ihr Eigentum habe pfänden und versteigern lassen. Hörst du, David, die lasse ich noch auf dem Rost braten, wenn sie keine Ruhe gibt. Eine Hexe ist das, eine ausgemachte Hexe. Wart nur, ich gehe gleich zum Gerichtsschreiber.«
    Und kaum hatte er ausgesprochen, da öffnete er eine Truhe, nahm einen alten, aber sehr gut erhaltenen Überrock und die dazugehörige Weste sowie eine recht anständige Kopfbedeckung aus Biberpelz heraus, alles ganz schlicht und ohne jede Verzierung. Hastig kleidete er sich an, verschloß die Truhe wieder und wollte forteilen, als ihm etwas einfiel.
    »Ich kann dich nicht allein im Hause lassen«, sagte er »ich muß dich aussperren und zuschließen.«
    Das Blut stieg mir in die Wangen.
    »Wenn Ihr mich vor die Tür setzt«, sagte ich, »habt Ihr mich zum letztenmal gesehen, und es ist aus mit unserer Freundschaft.«
    Er wurde sehr blaß und biß sich auf die Lippen.
    »Auf diese Weise«, sagte er und blickte grimmig zu Boden, »auf diese Weise, David, kannst du bei mir nichts werden und wirst dir nur meine Gunst verscherzen.«
    »Sir«, sagte ich, »mit aller gebührenden Achtung vor Eurem Alter und mit Rücksicht auf unsere Verwandtschaft, aber auf Eure Gunst pfeife ich. Mir ist Selbstachtung beigebracht worden, und wenn Ihr zehnmal der einzige Oheim, der einzige Blutsverwandte wäret, den ich auf der Welt habe, um einen solchen Preis will ich mir Eure Gunst nicht erkaufen.«
    Ohm Ebenezer dreht sich um, trat ans Fenster und blickte angelegentlich hinaus. Ich merkte aber, daß er am ganzen Leibe bebte und zuckte, als hätte ihn der Schlag getroffen. Als er sich mir dann wieder zuwandte, lächelte er etwas gezwungen.
    »Schön«, sagte er, »schön, Davie, wir müssen uns aufeinander einstellen, ich werde nicht weggehen, und Schluß damit.«
    »Ohm Ebenezer«, erwiderte ich, »das alles ist mir unverständlich. Ihr behandelt mich wie einen Dieb. Der Gedanke, mich im Hause zu haben, ist Euch verhaßt; das laßt Ihr mich mit jedem Blick und jedem Wort fühlen. Ihr mögt mich also gewiß nicht leiden. Ich habe mit Euch gesprochen wie bisher noch mit keinem Menschen. Wenn es nun einmal so ist, weshalb versucht Ihr, mich bei Euch zu behalten? Laßt mich fort – laßt mich zu meinen Freunden zurückkehren, die mich gern haben.«
    »Nein, nein, nein«, sagte er sehr nachdrücklich. »Ich habe dich auch gern, und wir werden uns mit der Zeit besser verstehen. Es ginge gegen die Ehre dieses Hauses, dich wieder dahin zurückzuschicken, woher du gekommen bist. Bleibe ruhig hier, warte ab wie ein braver Junge, und du wirst sehen, daß wir uns noch prächtig verstehen werden.«
    Nachdem ich stumm eine Weile überlegt hatte, sagte ich: »Also gut, Sir, ich will noch kurze Zeit hierbleiben. Es ist nur recht und billig, daß ein Blutsverwandter für mich sorgt und nicht fremde Leute. Ich will mein Bestes tun, damit wir gut miteinander auskommen. Meine Schuld soll es nicht sein, wenn es schiefgeht.«

IV. Ich gerate im Hause der Shaws in grosse Gefahr
    Dafür, daß der Tag so schlecht angefangen hatte, endete er leidlich gut. Zum Mittagessen gab es kalten Haferbrei und zum Nachtmahl eine heiße Hafersuppe. Mein Oheim lebte offenbar von Haferbrei und Dünnbier. Er sprach nur wenig mit mir und nicht anders als vorher. Jedesmal nach längerem Schweigen kam, wie aus der Pistole geschossen, irgendeine Frage. Wenn ich aber das Gespräch auf meine Zukunft bringen wollte, wich er sogleich aus.
    In einem Raum neben der Küche, den zu betreten er mir erlaubt hatte, fand ich zahllose Bücher in lateinischer und englischer Sprache; damit unterhielt ich mich den ganzen Nachmittag. In so guter Gesellschaft verging die Zeit wirklich erstaunlich rasch und angenehm, und ich söhnte mich fast mit meinem Aufenthalt im Hause der Shaws aus. Nur wenn mein Blick auf meinen Oheim fiel und unsere Augen sich verstohlen

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