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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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denn der Lauf der Donnerbüchse klirrte gegen das Sims. Nach einer wiederum sehr langen Pause kam mit merkwürdig veränderter Stimme die nächste Frage: »Lebt dein Vater nicht mehr?«
    Ich war so verblüfft über diese plötzliche Wandlung, daß ich nicht gleich antworten konnte, sondern nur erstaunt in die Höhe starrte.
    »Na, was denn? Vermutlich ist er tot, und deswegen stehst du da und polterst gegen meine Tür!«
    Wieder entstand eine Pause. Und dann: »Schön, mein Junge, ich lasse dich herein.«
    Und der Kopf im Fensterrahmen verschwand.

III. Ich lerne meinen Oheim kennen
    Gleich darauf rasselten hinter der Tür Ketten und Riegel; vorsichtig wurde sie geöffnet und – kaum, daß ich drinnen war – wieder geschlossen.
    »Geh in die Küche, aber fasse nichts an«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel, und während die Tür verriegelt und mit Ketten gesichert wurde, tastete ich mich im Finstern bis zur Küche vor.
    Das hellflackernde Kaminfeuer beleuchtete den kahlsten Raum, den ich jemals gesehen habe. Auf Wandborden stand ein halbes Dutzend Teller, auf dem Tisch war eine Schale mit Hafersuppe zum Abendessen bereitgestellt, davor ein Krug mit Dünnbier, daneben lag ein Hornlöffel. Außerdem gab es in dem großen leeren Steingewölbe nur noch an der Wand ein paar festverschlossene Truhen und einen Eckschrank mit einem dicken Vorhängeschloß .
    Sobald der Mann, der mich hereingelassen hatte, mit dem Verschließen der Tür fertig war, kam er zu mir in die Küche. Seine schmalschultrige Gestalt war unansehnlich; er ging gebückt, und sein Gesicht hatte eine schmutziggraue Färbung. Es war schwer, sein Alter zu schätzen; es mochte zwischen fünfzig und siebzig liegen. Die Nachtmütze war aus Flanell, ebenso der Schlafrock, den er an Stelle von Rock und Weste über das zerlumpte Hemd gezogen hatte. Er mußte sich schon lange nicht mehr rasiert haben. Was mich aber am meisten störte und sogar einschüchterte, war die Art, wie er mich zwar unverwandt anstarrte, mir aber nicht direkt ins Gesicht blickte. Es ließ sich schwer sagen, was der Beruf und die Herkunft dieses Menschen sein mochten. Am wahrscheinlichsten schien es mir, daß er ein alter, ausgedienter Knecht war, der hier, mit einer Rente zurückgelassen, das Herrenhaus hüten sollte.
    »Bist du hungrig?« fragte er mich, und dabei sah er mir auf die Knie. »Du kannst die Hafersuppe aufessen.«
    Ich wandte ein, daß das doch wohl sein Abendessen sei.
    »Ach«, sagte er, »ich kann gern darauf verzichten. Das Bier werde ich trinken, es feuchtet die Kehle an und nimmt mir den Hustenreiz.«
    Er trank den Becher zur Hälfte leer und starrte mich dabei weiter unverwandt von der Seite an. Plötzlich streckte er die Hand aus: »Laß sehen den Brief!« sagte er.
    Ich erwiderte, der Brief sei nicht an ihn, sondern an Mr. Balfour gerichtet.
    »Für wen hältst du mich?« fragte er. »Gib mir Alexanders Brief!«
    »Ihr wißt ja, wie mein Vater heißt«, rief ich erstaunt.
    »Es wäre komisch, wenn ich das nicht wüßte«, erwiderte der Mann, »denn er war mein leiblicher Bruder, und sowenig du mich, mein Haus oder meine gute Hafersuppe auch zu schätzen scheinst, ich bin dein leiblicher Onkel, und du bist mein leiblicher Neffe. Also gib schon den Brief her, Davie. Dann setz dich und fülle dir den Wanst.«
    Wäre ich ein paar Jahre jünger gewesen, hätte ich bestimmt aus Scham, Müdigkeit und Enttäuschung laut losgeheult. So fand ich kein Wort der Erwiderung, weder im Guten noch im Bösen, sondern gab ihm den Brief und setzte mich, so unlustig wie wohl kaum ein junger Mensch nach so langer Wanderschaft, vor den Teller mit Hafersuppe.
    Indessen hatte mein Oheim am Kamin Platz genommen und drehte, etwas vorgeneigt, das Schreiben in den Händen hin und her.
    »Weißt du, was in dem Briefe steht?« fragte er unvermittelt.
    »Ihr seht doch selber, Sir, das Siegel ist unverletzt.«
    »Richtig«, meinte er, »aber was hat dich hierhergeführt?«
    »Der Auftrag, Euch den Brief zu bringen.«
    »Nein«, sagte er lauernd, »du machst dir gewiß irgendwelche Hoffnungen.«
    »Ich gebe zu, Sir, als ich hörte, daß ich wohlhabende Verwandte habe, hoffte ich, sie würden mir im Leben vielleicht ein wenig weiterhelfen. Aber ich bin kein Bettler und brauche von Euch keine Wohltaten; ich will auch keine, die nicht von Herzen kommen, denn wenn ich auch arm bin, so habe ich doch Freunde, die mir gern beistehen werden.«
    »Ach, Schnickschnack«, sagte Ohm Ebenezer, »rege dich nicht

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