Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
nicht einmal die traditionellen Schottenstoffe und der Kilt durften getragen werden; sogar das Dudelsackpfeifen wurde bestraft. Trotz der unerträglichen wirtschaftlichen Verhältnisse hielten die Hochlandschotten die Verbindung mit dem nach Frankreich geflüchteten Führer der Clans aufrecht und übersandten ihm durch Mittelsleute ihren Pachtshilling, obwohl sie den Betrag doppelt, auch an die englischen Steuereintreiber abliefern mußten.
Stevenson, der ein ausgezeichneter Kenner der Geschichte seiner schottischen Heimat war, hat die historischen Geschehnisse nach der unglücklichen Schlacht von Culloden in seinen beiden Romanen verarbeitet. So sind auch manche Namen und Ereignisse, zum Beispiel der Appinmordfall, ein in der schottischen Geschichte des 18. Jahrhunderts bekannter Kriminalprozeß, der in den Erzählungen eine wesentliche Rolle spielt, historisch belegt. In der ersten Erzählung steht das persönliche Geschick des jungen David Balfour stärker im Vordergrund als in der Fortsetzung; der Mord an dem britischen Kronverweser Colin Campbell of Glenure ist nur der Auftakt zu den in »Catriona« weitererzählten Abenteuern des jungen Schotten. In »Catriona« - übrigens eine der wenigen Liebesgeschichten, die Stevenson geschrieben hat - geht es dem Dichter in erster Linie darum, die verwerfliche Handlungsweise der britischen Verwaltung zu geißeln, die den jungen Balfour mit Gewalt daran hindert, vor Gericht seine entlastende Zeugenaussage zu machen und damit den fälschlich angeklagten James Stuart, der später tatsächlich gehenkt wurde, vor dem Galgen zu bewahren.
Als Stevenson den Roman »Entführt« beendet hatte, stellte er erfreut fest, seine Gestalten hätten hier zum erstenmal in seinem Werk »ihr Geschick sozusagen selbst bestimmt«, und einer seiner Zeitgenossen nennt die Erzählung »... eines der menschlichsten Bücher, die ich je gelesen habe, die einzige Romanhandlung, in der die Menschen Magenschmerzen und Halsentzündungen wirklich erleiden und nicht mit einer eisernen Konstitution überhaupt nichts davon spüren ...«
Im Jahre 1888 schrieb Stevenson selber zu diesem Thema den kurzen Vers:
Here is the one sound page of all my writing,
The one I´m proud of and that I delight in ... 13
Ein Beweis, wie sehr er selbst gerade diese beiden Erzählungen geschätzt hat. Zudem meinte er, hier sei ihm endlich klargeworden, daß er auch längere Romane schreiben könne und nicht nur Essays und kurze Erzählungen, eine Auffassung, die allerdings durch den großen Erfolg widerlegt wird, den der Dichter bereits 1882 mit seiner berühmten Erzählung »Die Schatzinsel« errungen hatte.
Als Stevenson 1892 die Erzählung »Catriona« schrieb, hatte er seine schottische Heimat längst verlassen, um nie mehr zurückzukehren; er hatte in Samoa eine letzte Zuflucht gefunden. Dort besserte sich sein Lungenleiden in dem Maße, daß er Sport treiben, lange Ritte unternehmen und, seiner disziplinierten Veranlagung entsprechend, viele Stunden täglich arbeitend am Schreibtisch verbringen konnte. Doch es war ihm nur noch eine kurze Zeitspanne vergönnt. Vorzeitig nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand.
Als einer seiner Freunde von dem plötzlichen Ableben des Dichters erfuhr, rief er im ersten Schmerz aus: »Legt Bücher, Papier und Feder beiseite, Stevenson ist tot, nun ist keiner mehr da, der schreiben kann ...«
Dieser spontane Ausspruch war gewiß sachlich unrichtig, doch er zeigt, wie sehr der Dichter schon von seinen Zeitgenossen bewundert und geliebt wurde.
Ruth Gerull-Kardas
13 Dies ist das Vernünftigste, das ich je schrieb
Worauf ich stolz bin und das mich glücklich macht...
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R. L. Stevenson
Catriona
ISBN eBook 978-3-355-50007-4
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