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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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herrschte wieder tiefste Dunkelheit. Ich mußte meine Augen mit der Hand schützen, um mich zurechtzufinden, denn als ich den Turm betrat, war ich von dem grellen Lichtschein immer noch wie geblendet.
    Drinnen war es so dunkel, daß einem buchstäblich der Atem stockte, aber ich fühlte mich mit Füßen und Händen vor und fand schließlich mit der Hand die Mauer und mit der Fußspitze die erste Treppenstufe. Ich bemerkte, daß die Turmwände aus festgefügten behauenen Steinen und auch die ziemlich schmalen, steilen und glatten Stufen eben und fest waren. Eingedenk der Warnung meines Oheims, daß kein Geländer da sei, hielt ich mich dicht an der Mauer und tastete mich in der pechschwarzen Umgebung langsam aufwärts; dabei klopfte mir das Herz bis in den Hals.
    Das Haus der Shaws hatte fünf Stockwerke, wobei das Dachgeschoß nicht mitgerechnet war. Während ich hinaufstieg, empfand ich die Luft als weniger stickig, und es schien auch etwas heller zu werden. Ich wunderte mich, woher diese Veränderung kommen mochte, bis ein zweites Wetterleuchten aufzuckte und ebenso plötzlich wieder verlosch.
    Wenn ich nicht laut aufgeschrien habe, lag es wohl daran, daß mir die Kehle vor Angst wie zugeschnürt war. Daß ich nicht abstürzte, war weniger mein Verdienst als die barmherzige Hilfe des Himmels. Der grelle Schein des Blitzstrahls war nicht nur durch die klaffenden Mauerlücken zu allen Seiten des Turmes hereingedrungen, die so groß waren, daß ich gleichsam auf einem Gerüst hochkletterte, ich hatte überdies in dem flüchtigen Lichtschein gesehen, daß die Stufen ungleich lang waren und daß die Stelle, auf der ich jetzt stand, nur zwei Zoll von dem Abgrund entfernt war.
    Das also war die Treppe, die »bestens in Ordnung« sein sollte. Ich dachte nach, und beim Überlegen packte mich so etwas wie der Mut der Verzweiflung. Mein Oheim hatte mich bestimmt hierhergeschickt, um mich einer tödlichen Gefahr auszusetzen. Ich beschloß, mir über seine Absicht völlige Gewißheit zu verschaffen, und sollte ich mir dabei das Genick brechen. Daher ließ ich mich behutsam auf die Knie nieder und kroch, jeden Fußbreit vor mir untersuchend, langsam wie eine Schnecke die Treppe weiter hinauf. Nach der unvermuteten Helligkeit des Wetterleuchtens schien es mir jetzt doppelt so finster als zuvor. Und das war noch nicht alles; denn in meinen Ohren brauste es von dem Schwirren der in der Turmspitze aufgescheuchten Fledermäuse. Die ekelhaften Tiere umflatterten mich, streiften mein Gesicht und rückten mir zuweilen beängstigend dicht auf den Leib.
    Ich hätte schon früher erwähnen sollen, daß es ein viereckiger Turm war; in den Ecken bestanden die Stufen jeweils aus einem größeren, in der Form abweichenden Stein, um die Verbindung zu der nächsten Stufe herzustellen. Nun war ich an so eine Biegung gelangt und tastete mich wie bisher weiter, als meine Hand plötzlich ins Leere griff. Die Treppe war hier zu Ende. Einen Menschen aufzufordern, sie in der Dunkelheit emporzusteigen, bedeutete also, ihn in den sicheren Tod zu schicken. Und wenn ich auch, dank des Wetterleuchtens und meiner Vorsicht, das Schlimmste vermieden hatte, so brach mir doch bei dem Gedanken an die grausige Höhe, aus der ich hätte abstürzen können, der Schweiß aus allen Poren, und meine Glieder versagten für Augenblicke den Dienst.
    Doch ich wußte nun, was ich hatte wissen wollen. Sobald sich meine Erregung ein wenig gelegt hatte, machte ich vorsichtig kehrt und tastete mich, brennenden Zorn im Herzen, behutsam wieder abwärts.
    Als ich etwa den halben Weg zurückgelegt hatte, brach plötzlich der Sturm los; er rüttelte an dem Gemäuer. Dann wurde es ebenso unvermittelt wieder still. Es begann zu regnen, und ehe ich ganz unten war, goß es in Strömen. Ich spähte in das Unwetter hinaus. Die Tür zur Küche, die ich hinter mir zugezogen hatte, stand jetzt offen, und ich glaubte eine Gestalt im Regen zu sehen; sie rührte sich nicht und schien zu lauschen.
    Ein greller Blitzstrahl ließ mich dort, wo ich ihn vermutet hatte, meinen Oheim deutlich erkennen. Gleich darauf krachte ein furchtbarer Donnerschlag.
    Ob nun mein Oheim angenommen hatte, das Krachen hinge mit meinem Sturz in die Tiefe zusammen, oder ob er es für Gottes Stimme gehalten, die seinen Mordplan entlarvte, das mag dahingestellt bleiben. Sicher ist nur, daß ihn ein panischer Schrecken packte; er lief ins Haus und ließ die Tür hinter sich offenstehen.
    Ich schlich ihm, so leise es ging,

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