Entfuehrt von einem Prinzen
ließ sie den Blick über die atemberaubende Aussicht gleiten und fragte sich, ob sie dem Wiedersehen mit Ram wirklich gewachsen war. Vielleicht sollte sie vor dem Treffen an den Strand gehen, um sich etwas zu entspannen. Dort könnte sie ungestört ihren Träumen nachhängen und …
„Du hast Besuch, Mia.“
Erschrocken wandte Mia sich um, als Monsieur Michel hereinkam. Wer mochte sie hier besuchen? Niemand wusste, dass sie in Monte Carlo war. Außer einem Mann.
„Wenn du willst, schicke ich ihn wieder fort.“ Ihr Chef musterte sie besorgt, als er bemerkte, wie schockiert sie war.
„Nein, nein, das ist schon okay.“ Mia hatte sich wieder gefasst und leckte sich den Zuckerguss von den Fingern, bevor sie zur Spüle eilte, um sich die Hände zu waschen. „Ich komme gleich.“ Vielleicht war es sogar besser, die Begegnung mit Ram so schnell wie möglich hinter sich zu bringen …
„Er wartet in meinem privaten Wohnzimmer“, erklärte Mias Chef und musterte sie erneut besorgt.
„Vielen Dank, Monsieur.“
„Falls du mich brauchst, ziehst du einfach an der Klingelschnur.“
Seine Besorgnis um sie rührte Mia. „Danke schön, aber das wird nicht nötig sein. Ich freue mich auf seinen Besuch.“ Diese kleine Notlüge war doch wohl gestattet, oder?
Mutige Vorsätze waren gut und schön, sich daran zu halten, eine ganz andere Sache, dachte Mia, als sie nervös den Frisiersalon mit den vielen Spiegeln durchquerte. Es herrschte eine entspannte Arbeitsatmosphäre, aber die Welt der Kolleginnen war ja auch nicht ins Wanken geraten. Im Gegensatz zu ihrer eigenen. Energisch beschloss Mia, sich nicht darum zu kümmern, wie sie aussah oder was Ram von ihr hielt. Es war ihr Leben, und Ram sollte sie gefälligst so akzeptieren, wie sie jetzt war, oder er könnte gleich wieder gehen. Natürlich wäre ihr Anblick ein Schock für ihn. Sei’s drum. Sie hatte diese Herausforderung gewollt, um sich etwas zu beweisen.
Schlimmer als bei Toms und Rams Abiturball konnte es gar nicht werden. Der Erlös der Veranstaltung diente wohltätigen Zwecken, und die Eintrittskarten waren heiß begehrt. Damals war sie sechzehn und hatte nur durch Zufall eine Einladung erhalten, da Rams weibliche Begleitung kurz vor dem Ball wegen einer Grippe absagen musste.
Mit Tom und seiner Freundin tauchten Ram und Mia schließlich bei der Veranstaltung auf. Mia trug damals eine Kurzhaarfrisur mit leuchtend roten Strähnen und hatte sich in ein knöchellanges schlammgrünes, mit Pailletten besetztes Chiffonkleid gehüllt, das ihre Mutter von einer Tante geschenkt bekommen hatte. Mia fand die Vorstellung unwiderstehlich, als hässliches Entlein am Arm eines achtzehnjährigen, unwiderstehlichen orientalischen Prinzen zu erscheinen und mit ihrem Auftritt die vielen hübschen Mädchen zu schockieren. Als Ram ihr sogar ein – selbstverständlich nicht ernst gemeintes – Kompliment machte, hatte sie nur herausfordernd behauptet: „Das Kleid ist ein Originalmodell und gerade der letzte Schrei.“
Ram hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Wahrscheinlich betrachtete er es als seine gute Tat des Tages, die Schwester seines besten Freundes auszuführen.
Seitdem hatte sie sich sehr verändert und war auf alles vorbereitet.
Fragte sich nur, warum ihr Herz zum Zerspringen klopfte.
Mia betrat Monsieur Michels Privatwohnung, zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich einen Moment lang dagegen. Die letzte Begegnung mit Ram auf Toms Verlobungsfeier war seltsam gewesen. Sie hatte sich so viel Mühe mit ihrem Äußeren gegeben, damit Ram endlich die Frau in ihr sah und nicht nur den Kumpel. Inzwischen waren sie ja beide erwachsen, wie Ram sehr richtig festgestellt hatte, als er ihr erklärte, dass sein Leben nun eine andere Richtung einschlagen würde. Er gab sich ganz cool, aber er hatte ihr ein Abschiedsgeschenk mitgebracht, und einen Moment lang dachte Mia, er würde sie küssen. Vielleicht hatte sie sich das auch nur eingebildet. Warum musste er sie so erniedrigen? Erst später erkannte sie, dass das Kleid die Abfindung eines reichen Jungen war, der keine Verwendung mehr für seine Jugendfreundin hatte.
Sie war weder hübsch noch interessant genug, die Aufmerksamkeit eines Mannes wie Ram auf Dauer zu fesseln. Das war ihr inzwischen klar geworden. Doch damals war sie noch sehr jung und verletzlich gewesen. Als Ram aus ihrem Leben verschwand, hatte sie mit allen Mitteln versucht, die Lücke zu füllen, die er hinterlassen hatte. Ständig suchte sie
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