Entfuehrt von einem Prinzen
neue Herausforderungen. Ihr Leben war der reinste Hochseilakt. Sie brauchte den Kick. Eines Tages musste das ja schiefgehen. Als sie nach dem schweren Rennunfall in einer Klinik für Brandopfer wieder aufwachte und sah, dass es anderen Menschen noch schlechter ging als ihr, hatte sie genug von ihrem sinnentleerten Leben. Ram war ja schon lange fort.
Und jetzt war er wieder da.
Die Ärzte hatten ihr geraten, mutig zu sein, auch wenn sie vielleicht ihr Augenlicht verlieren würde.
Verfügte sie über genug Mut?
Gleich würde sie es herausfinden. Ram Varindha befand sich ganz in ihrer Nähe.
Noch zögerte sie, Monsieur Michels Wohnzimmer zu betreten. Hier hatte er das Einstellungsgespräch mit ihr geführt. Sie erinnerte sich, wie kühl und angenehm schattig es dort war. Der Blick aus dem Fenster führte in einen hübschen Innenhof mit Weinranken und farbenprächtigen Bougainvilleen. Das Zimmer war sehr gemütlich eingerichtet. Zwei Sofas standen sich auf einem abgetretenen Teppich gegenüber, Spiegel in vergoldeten Rahmen waren bereits leicht blind, in einer Ecke stand ein Flügel.
Ich kann hier nicht den ganzen Tag herumstehen, dachte Mia, atmete tief durch und ging hinein. Rams Anwesenheit ließ das Zimmer gar nicht mehr so gemütlich wirken.
Sie zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich gegen die Wand. Wie gern hätte sie die Zeit zurückgedreht, und wie sehr wünschte sie, hübsch und anziehend zu sein.
Ram stand mitten im Zimmer. Spontan wäre sie fast zu ihm gelaufen, doch seine Unnahbarkeit hielt sie auf Distanz.
„Mia?“
Sein Tonfall klang schockiert.
„Gefällt dir mein Outfit?“ Sie wusste ganz genau, dass nicht das Piratenkostüm, sondern die Augenklappe ihn schockiert hatte. Als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte, hätte sie fast der Mut verlassen.
Doch Ram hatte seine Gefühle blitzschnell wieder unter Kontrolle. „Du überraschst mich immer wieder, Mia. Seit wann hast du die Piratenflagge gehisst?“
Ihre Blicke trafen sich. Mia hatte ganz vergessen, wie schön Rams Augen waren. Und er war noch anziehender und männlicher, als in ihrer Erinnerung.
„Es erstaunt mich, dass du hier arbeitest, Mia.“
„Ja?“ Herausfordernd stützte sie eine Hand auf die Hüfte und dachte gar nicht daran, diesem attraktiven Fremdling, dem nichts zu entgehen schien, zu erklären, warum sie Zuflucht in Monsieur Michels Salon gesucht hatte.
„Ich dachte immer, Aussehen ist dir nicht so wichtig.“
„Ach, für mich ist das alles hier nur Theater.“ Interessiert ließ sie den Blick über ihn gleiten. In Jeans, engem Top und einfachen Sandalen, in denen seine nackten Füße steckten, strahlte Ram so viel Erotik aus, dass Mia bei seinem Anblick fast schwindlig wurde. Aber seine Augen blickten seltsam kühl. Das war neu. Offensichtlich waren die vergangenen Jahre auch für ihn nicht einfach gewesen. Instinktiv spürte sie, dass er gar nicht der Playboy war, der nichts anbrennen ließ. Offensichtlich hatten die Klatschreporter ihm dieses Image verpasst, um ihre Auflagen zu steigern.
Mias romantische Jugendliebe hatte sich in einen harten, unnachgiebigen Mann verwandelt, der ungeniert ihre Narben musterte.
„Ich hatte ja keine Ahnung, Mia …“
„Woher auch?“ Zögernd kam sie näher. Sollte er sie doch ruhig anstarren. „Ich habe meine Familie gebeten, es nicht in der Gegend herumzuposaunen. Und um deine unausgesprochene Frage zu beantworten: Ich bin nicht gehandicapt. Wahrscheinlich bin ich sogar doppelt so schnell wie andere, solange ich nicht im falschen Moment blinzele.“
Früher hätte er über diese Bemerkung gelacht, dachte Mia. Stattdessen blickte er sie weiterhin forschend an, als wollte er hinter die Kulissen blicken.
Schweigend schauten sie einander an. Plötzlich fühlte Mia sich wieder wie das achtjährige oder dreizehnjährige Mädchen, das völlig hingerissen war von Ram. Als Sechzehnjährige hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als in seinen Armen zu liegen …
Daran hatte sich nichts geändert.
Ram verlagerte das Gewicht auf den anderen Fuß. „Mir gefällt dein Outfit.“ Plötzlich verzog sich sein Mund zu einem frechen Lächeln.
„Das beruhigt mich ungemein“, gab sie trocken zurück.
Ram wurde wieder ernst. „Was ist aus meinem Mädchen geworden, Mia?“
„Es ist erwachsen geworden.“
Das Wiedersehen mit Mia verlief ganz anders, als er es sich ausgemalt hatte. Auch hatte er nicht erwartet, von seinem Beschützerinstinkt schier überwältigt zu werden,
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