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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Banditen vom Arm der Großfürstin lösen, doch das nützte wenig. Er schlug mir die Faust gegen die Kinnlade, und ehe Ihre Hoheit auf die Beine kam, waren die beiden Männer in Schwarz schon heran. Sie faßten die Großfürstin bei den Ellbogen, hoben sie hoch und trugen sie im Laufschritt zur Kutsche.Bloß gut, daß Mademoiselle den Jungen in Sicherheit bringen konnte – aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie ihn an die Hand nahm und mit ihm in die Büsche lief.
    Mein Gegner war gewandt und stark. Er schlug noch einmal zu, und als ich ihn an der Gurgel zu packen versuchte, holte er ein Finnenmesser mit schartiger Klinge hervor.
    »Ich stech dich ab wie Köter!« zischte der schreckliche Mann in einem etwas gebrochenen Russisch, riß die blutunterlaufenen Augen auf und holte weit aus.
    Ich wollte mir die Worte eines Gebets in Erinnerung rufen, aber sie fielen mir nicht ein, gerade jetzt, wo es so nötig gewesen wäre.
    Das Messer fuhr in die Höhe, fast bis in den Himmel, aber es kam nicht wieder herunter. Auf wundersame Weise wurde die Hand mit der Klinge abgefangen von Fingern in einem grauen Handschuh.
    Das Gesicht des Bärtigen verzerrte sich noch mehr, ich hörte einen schmatzenden Laut, und mein Beinahe-Mörder sank zur Seite. Über mir stand der elegante Herr von vorhin, nur hielt er jetzt keinen Spazierstock in der Hand, sondern eine schmale, lange Klinge, rot verschmiert.
    »Leben Sie?« fragte mein Retter und rief dann, rückwärts gewandt, etwas in einer mir unbekannten Mundart.
    Ich richtete mich auf und sah den chinesischen Straßenhändler, der mit furchtbarem Gestampfe, den Kopf gesenkt wie ein Stier, angesaust kam. Er hatte jetzt keinen Bauchladen, dafür ein merkwürdiges Gerät – eine kleine Metallkugel, die er an einer Schnur über dem Kopf kreisen ließ.
    »Iiija!« krächzte er widerlich, und die Kugel pfiff durch die Luft, über meinen Kopf hinweg.
    Ich fuhr herum, um zu sehen, wohin sie mit solcherGeschwindigkeit flog. Wie sich zeigte, direkt gegen den Hinterkopf eines der Entführer. Ein häßliches Knirschen war zu hören, und der Getroffene fiel mit dem Gesicht zu Boden. Der andere Bandit ließ die Großfürstin los, drehte sich blitzschnell um und zog einen Revolver aus der Tasche. Das Gesicht des Mannes war nicht zu sehen, er trug eine schwarze Stoffmaske.
    Der Kutscher, der noch auf dem Bock saß, warf seinen Regenmantel ab, unter dem er ebenso schwarz gekleidet war wie die beiden anderen, nur daß er keine Maske trug. Er sprang auf die Erde und lief ebenfalls zu uns, im Laufen in die Tasche greifend.
    Ich sah zu meinem Retter (voller Scham muß ich bekennen, daß ich in dieser dramatischen Situation ganz benommen war, nur immer den Kopf hin und her drehte und den Ereignissen kaum folgen konnte). Der elegante Herr holte kurz aus und schleuderte seine Klinge, doch ob sie traf, sah ich nicht, weil sich meinem Blick ein noch unwahrscheinlicheres Bild bot: Aus den Büschen kam Mademoiselle Déclic gesprungen, in der einen Hand einen mächtigen Ast schwenkend, mit der anderen den Rock raffend, so daß ihre schlanken Fesseln zu sehen waren. Der Hut fiel ihr herunter, die Haare waren an den Schläfen zerzaust, doch noch nie hatte ich sie anziehender gefunden als in diesem Moment.
    »J’arrive!« schrie sie. »J’arrive!« 8
    Erst jetzt wurde ich mir meines schmählichen Benehmens bewußt. Ich sprang auf und eilte dem unbekannten Herrn und dem Asiaten zu Hilfe.
    Leider wurde meine Hilfe nicht mehr benötigt.
    Es stellte sich heraus, daß die Klinge getroffen hatte – der Mann mit der Maske lag auf dem Rücken, und aus seinerBrust ragte das Stahlband, das in einem silbernen Knauf endete. Jetzt begriff ich, wo der gutaussehende Herr den Degen hergenommen hatte – der war in seinem Spazierstock verborgen.
    Was den Kutscher anging, so wurde der flinke Chinese spielend mit ihm fertig. Bevor der Bandit die Waffe ziehen konnte, war der Asiat hochgesprungen und hatte dem Gegner mit gewaltiger Kraft den Fuß gegen das Kinn gerammt. Der Kopf des Kutschers flog so jäh und heftig zurück, daß keine noch so starken Halswirbel standgehalten hätten. Der Mann riß die Arme hoch und stürzte rücklings zu Boden.
    Als Mademoiselle sich mit dem bedrohlichen Ast zu uns gesellte, war bereits alles vorbei.
    Ich half Ihrer Hoheit auf die Beine, zum Glück war sie völlig unverletzt, doch begreiflicherweise saß ihr der Schreck in den Gliedern.
    Dann wandte ich mich an den Unbekannten.
    »Wer sind Sie, mein

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