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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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seinen Posten verlassen und zankte sich auf dem Trottoir mit einem Fuhrmann.
    Ich ordne an, alle schuldigen Schutzmänner, Wächter und Hausmeister mit Arrest und Strafgeld zu belegen.
    Der amtierende Moskauer Polizeipräsident Oberst Lassowski
     
    Natürlich sollte sich der Polizeichef einer Millionenstadt nicht um derartige Lappalien kümmern, doch einige Moskauer Neuerungen könnte man nach meinem Dafürhalten gut und gern auch in Petersburg einführen. Zum Beispiel Schutzleute auf Kreuzungen postieren, damit sie den Verkehr der Equipagen regeln, denn auf dem Newski-Prospekt und den Uferstraßen entstehen immer wieder solche Verstopfungen, daß kein Durchkommen ist. Es wäre auch nicht schlecht, den Kutschern nach Moskauer Vorbild unter Androhung von Strafe zu verbieten, zu fluchen und mit ungesäuberten Droschken zu fahren.
    Doch Oberst Lassowski hatte in der Tat ein bizarres Gebaren, wovon ich mich während der Instruktion vor der Operation überzeugen konnte.
    Obwohl Karnowitsch mich unterweisen sollte, mischte sich der Polizeipräsident ständig ein und gab durch seine Miene zu verstehen, daß der eigentliche Hausherr in der alten Hauptstadt er, Lassowski, sei und nicht so ein zugereister Emporkömmling. Zwischen den beiden Obersten entbrannte immer wieder Streit darüber, ob man Linds Gesandten bei der Geldübergabe verhaften sollte. Der Moskauer Oberst sprach sich energisch für sofortige Verhaftung aus und schwor, dem Hundesohn die Seele mitsamt allen Eingeweiden herauszuschütteln, während der Oberst aus Zarskoje Selo nicht weniger energisch für Vorsicht plädierte, wobei er sich auf Linds Morddrohungen berief. Fandorin befand sich auch im Salon, beteiligte sich aber nicht an dem Streit.
    Karnowitsch traf eine Reihe von Maßnahmen, die ich sehr vernünftig fand. Meiner Kutsche sollten drei getarnte Equipagen mit Agenten in Zivil vorausfahren und fünf folgen. Alle Agenten gehörten der Hofpolizei an, ausgesuchtkräftige Burschen einer wie der andere. Ihre Aufgabe bestand nicht darin, Linds Mittelsmann zu ergreifen, sondern sich an ihn »ranzuhängen« (wie sich der Oberst ausdrückte) und ihm zum Versteck der Entführer zu folgen. Außerdem war eine Sondergruppe von Beamten des Schatzamtes seit dem gestrigen Abend damit beschäftigt, die Nummern aller Geldscheine, die Lind übergeben werden sollten, zu notieren. So würde später jeder Schein eine kleine Spur legen.
    Meine Aufgabe sah einfach aus: gemächlich den Sadowoje-Ring entlangfahren und warten, bis die Verbrecher mich ansprechen, dann verlangen, zu Seiner Hoheit gebracht zu werden, und den Koffer erst aus der Hand geben, wenn ich den Jungen heil und gesund gesehen habe. Sollte der Bandit (oder die Banditen) Gewalt anwenden, würden die getarnten Agenten in Aktion treten.
    »Den Halunken sofort am Schlafittchen packen«, erklärte der hartnäckige Polizeipräsident nun wohl schon zum zehntenmal. »Und mir übergeben. Ich werde so mit ihm reden, daß man sich nicht an ihn ›ranhängen‹ muß. Er wird von selber alles erzählen und zeigen. Sie, Herr Oberst, schaden uns nur mit Ihrem Lavieren.«
    Karnowitsch rückte nervös seine Brille zurecht, ließ seine Gereiztheit aber nicht an dem Moskauer aus, sondern an Fandorin:
    »Hören Sie, mein Herr, was für Nutzen habe ich von einem Berater, der die ganze Zeit schweigt? Was denken Sie denn?«
    Fandorin zog skeptisch eine seiner schönen, wie gezeichneten Brauen hoch.
    »Lind ist sehr schlau und einfallsreich. Alle Ihre möglichen Handlungen kalkuliert er von v-vornherein ein. Und die Nummern der Banknoten zu notieren ist einfach lächerlich.Wollen Sie vielleicht in allen Kaufhäusern, Geschäften und Wechselstuben Listen mit vierzigtausend siebenstelligen Nummern aushängen?« Er wandte sich an mich. »Von Ihnen hängt sehr viel ab, Sjukin. Geschärfte Beobachtungsgabe, Beachtung der kleinsten Details – darauf k-kommt es an. Denken Sie daran, heute ist die erste Begegnung, mindestens sechs stehen noch bevor. Vorerst nur Augen und Ohren o-offenhalten. Und was das ›Ranhängen‹ betrifft«, das sagte er nicht mehr zu mir, sondern zu Karnowitsch, »so kann man es versuchen, aber machen Sie keinen Druck, sonst erhalten wir eine Leiche.«
    »Eine wertvolle Empfehlung, merci«, sagte Karnowitsch mit einer höhnischen Verbeugung. »Sie stellen sich also darauf ein, dem verehrten Doktor noch sechsmal eine Million zu zahlen? Bekommen Sie vielleicht von Herrn Lind Prozente für derartige

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