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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Empfehlungen?«
    Fandorin erhob sich schweigend und ging hinaus, ohne zu antworten.
    »Den müßte man beschatten«, zischte Lassowski in Richtung Tür. »Ein äußerst verdächtiges Subjekt.«
    »Wenn nötig, beschatten wir ihn«, versprach Karnowitsch. »Wirklich ein unangenehmer Typ.«
    Ich teilte dieses Urteil aus vollem Herzen, denn meine Meinung über Herrn Fandorin, der auf mich anfangs einen so gewinnenden Eindruck machte, hatte sich von Grund auf geändert. Dafür gab es Gründe.
     
    Die erste Tageshälfte war qualvoll langsam vergangen. Während die hohen Herren stritten, welche Behörde die Operation leiten sollte, hatte ich nichts zu tun und verging vor Sorge. Angesichts der bevorstehenden verantwortungsvollenAufgabe war ich von meinen üblichen Verpflichtungen befreit, die nun Somow wahrnahm. Großfürst Georgi hatte gesagt, daß von uns, die wir in das Geheimnis eingeweiht waren, nur eines verlangt wurde: sich nichts anmerken lassen und strahlende Sorglosigkeit an den Tag legen. Endlung hatte es übernommen, den niedergeschlagenen Pawel Georgijewitsch aufzuheitern. Zur Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe war dem Leutnant eine gewisse Summe ausgehändigt worden. Davon mächtig aufgelebt, hatte er seinen Schutzbefohlenen in eine Equipage gesetzt und war mit ihm schon am Morgen nach Zarizyno gefahren, in ein Zigeunerrestaurant, »um Abstand zu gewinnen«, wie er sagte.
    Großfürstin Xenia war mir von Seiner Hoheit anvertraut worden, und ich hatte es nicht leicht. Sie war mit rotgeweinten Augen zum Frühstück gekommen, blaß und traurig, dabei sollte sie am Abend Besuche abstatten und danach ins Petrowski-Schloß zu einem kleinen, musikalisch umrahmten Essen fahren.
    Großfürst Georgi beriet sich mit mir, was zu tun sei, und wir kamen zu dem Schluß, daß sich Kummer am besten durch körperliche Übungen vertreiben ließe. Soll sie Tennis spielen, entschied Seine Hoheit, zum Glück regnet es nicht. Danach legte der Großfürst Zivilkleidung an und fuhr in irgendwelchen Angelegenheiten fort. Mir oblag es, das Spiel in die Wege zu leiten.
    »Afanassi, aber mit wem soll ich denn spielen?« fragte die Großfürstin.
    In der Tat stellte sich heraus, daß es keine Partner für Ihre Hoheit gab. Im Auftrag des Großfürsten Simeon hatte Fürst Glinski am Morgen die Engländer abgeholt, um mit ihnen nach Sokolniki zu fahren und von dort zum Mittagessen indie Residenz des Generalgouverneurs. Mir fiel ein, wie Seine Hoheit sich gestern für den eleganten Mr. Carr interessiert hatte, und ich war beunruhigt, doch nicht allzusehr, denn ich hatte ernsthaftere Sorgen.
    Großfürstin Xenia dachte kurz nach und sagte: »Geh zu Erast Petrowitsch und bitte ihn her. Sonst gibt es ja niemanden.«
    Ich ging zu Fandorin. Bevor ich klopfte, horchte ich, und an mein Ohr drangen recht eigenartige Geräusche: dumpfe Schläge, lautes Schnaufen und Klirren von Glas. Besorgt klopfte ich sacht und öffnete die Tür einen Spalt.
    Meinen Augen bot sich ein befremdliches Bild. Herr Fandorin und Herr Masa, beide nur mit weißen Unterhosen bekleidet, vollzogen ein absonderliches Ritual: Abwechselnd nahmen sie Anlauf, sprangen unglaublich hoch und stießen den Fuß gegen die Wand, was das mich beunruhigende Klirren zur Folge hatte. Fandorin absolvierte die närrische Übung in völligem Schweigen, während sein Diener fauchte und schnaufte, und wenn er seinen Angriff auf die Wand beendet hatte, sprang er nicht einfach zurück, sondern ließ sich wie ein Ball über den Boden rollen.
    »Was … gibt’s?« fragte Fandorin atemlos und setzte mitten in der Frage zu einem neuen Sprung an.
    Ein guter Haushofmeister wundert sich niemals. Und wenn er sich doch wundert, zeigt er es nicht. Darum verbeugte ich mich, als fände ich das ganz normal, und überbrachte die Bitte der Großfürstin.
    »Danken Sie Ihrer Hoheit für die Ehre«, antwortete er, sich den Schweiß abwischend. »Aber ich kann nicht Tennis spielen.«
    Als ich zur Großfürstin zurückkam, trug sie bereits ein weites Tenniskleid und weiße Schuhe.
    Fandorins Ablehnung verstimmte sie sehr.
    »Soll ich mir vielleicht selber den Ball zuspielen?« sagte sie. »Bitte ihn noch einmal. Sag, ich bringe es ihm bei.«
    In ihren Augen standen Tränen.
    Ich eilte wieder zu Fandorin und bat ihn nun in aller Form, erwähnte auch den Auftrag des Großfürsten Georgi.
    Fandorin stieß einen Seufzer aus und fügte sich. Ich brachte ihm geschwind den Tennisdreß des Großfürsten Pawel, er paßte, war

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