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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einen Stoßseufzer aus, was offenbar bedeutete: Ihr Wort in Gottes Ohr.
    »Gnädige Frau, meine Herren. Ich schlage folgendes vor …«
    Es wurde sofort still, sogar Mr. Freyby löste die Augen vom Buch und blickte Foma Anikejewitsch über seine Brille hinweg an.
    »Unsere Herrschaften stehen leider nicht sehr gut miteinander. Das kann der Sache schaden. Lassen Sie uns beschließen, daß wenigstens wir Diener einig sind. Wir wollen einander auf dem laufenden halten und Seine Majestät und Ihre Hoheiten vor Fehlern bewahren. Soweit es in unseren Kräften steht.«
    Einfach und weise.
    Da steckte mein Gehilfe Somow den Kopf zur Tür herein und sagte, die Hand auf der Brust: »Afanassi Stepanowitsch, meine Herren, ich bitte um Verzeihung, aber Mademoiselle Déclic wird zu Ihrer Hoheit gebeten.«
    Er verbeugte sich und verschwand wieder.
    »Ach ja, Monsieur Sjukin«, wandte sich die Gouvernante an mich. »Die arme Xenia weiß ja noch nichts. Was ich kann ihr sagen?«
    »Man darf
Ihrer kaiserlichen Hoheit
nichts von Linds Drohung sagen«, erwiderte ich schroff, unangenehm berührt von dem familiären Ton, in dem sie über die Großfürstin Xenia sprach. »Sagen Sie
Ihrer kaiserlichen Hoheit
einfach, daß die Entführer ein Lösegeld verlangen und daß das Lösegeld gezahlt wird.«
    Meines Erachtens ging sie beschämt hinaus.
    Kurz darauf bedauerte ich die Abwesenheit von Mademoiselle, denn Mr. Freyby öffnete die Lippen und sagte ein kurzes Wort.
    »Was beliebten Sie zu sagen?« fragte Foma Anikejewitsch.
    »Er sagte ›Spyon‹«, übersetzte Masa, der offensichtlich Englisch verstand.
    »Ein Spion, wie ist das gemeint?« fragte ich verdutzt.
    Der Brite blickte hoffnungsvoll zu Foma, und der runzelte plötzlich besorgt die Stirn.
    »Herr Freyby hat völlig recht. Hier hat ein Spion seine Hand im Spiel. Die Entführer waren zu gut über Ihre gestrigen Unternehmungen informiert. Ich will Sie nicht beunruhigen, Afanassi Stepanowitsch, aber wahrscheinlich ist unter Ihren Leuten ein Kundschafter von Doktor Lind. Können Sie sich für Ihre Diener verbürgen?«
    Ich fühlte, daß ich erbleichte.
    »Keineswegs. Für die Petersburger verbürge ich mich. Die sind – außer Lipps, der uns bedient, alle erprobt. Aber ich habe hier noch neun Leute zur Verstärkung bekommen, außerdem Aushilfen. Die hiesigen Diener kenne ich überhaupt nicht. Für sie ist Somow zuständig.«
    »Also ist äußerste Vorsicht geboten«, sagte Luka Jemeljanowitsch bedeutsam.
    Foma Anikejewitsch wandte sich an den Engländer: »Ich danke Ihnen, Mr. Freyby, für den klugen Hinweis.«
    Der Engländer zuckte verständnislos die Achseln, da fiel mir das Wörterbuch ein, das in meiner Tasche steckte.
    »Danke« hieß auf englisch »tänk«, »Ihnen« war noch einfacher – »ju«.
    Und so sagte ich: »Tänk ju, Mr. Freyby.«
    Er nickte und vertiefte sich wieder in seinen Trollope (ich hatte in der Bibliothek nachgesehen, daß es ein englischer Romancier war).
    Wir erörterten noch Methoden, mit deren Hilfe wir uns vertraulich miteinander in Verbindung setzen konnten, da wurden wir unterbrochen – Somow steckte wieder den Kopf zur Tür herein, und an seiner Miene sah ich, daß etwas Besonderes passiert sein mußte.
    Ich entschuldigte mich und ging hinaus in den Korridor.
    »Hier«, sagte Somow im Flüsterton und hielt mir ein weißes Couvert hin. »Das wurde gefunden. Der Pförtner hat es aufgehoben. Woher es kam, ist unbekannt.«
    Ich nahm das Couvert und las die mit Bleistift geschriebenen Druckbuchstaben:
    AVEC LES COMPLIMENTS DE DR. LIND
    Nur mit großer Willensanspannung bewahrte ich äußere Gelassenheit.
    »Wo wurde das gefunden?«
    »Auf der Vortreppe, direkt an der Tür. Der Pförtner wollte nachsehen, ob es noch regnete, und sah es liegen.«
    Jemand kann das Couvert also auch von draußen auf die Treppe gelegt haben, dachte ich. Er ist über die Umfriedung geklettert und hat den Umschlag hingelegt. Bei diesem Gedanken wurde mir leichter. Aber nur ein kleines bißchen.
    Natürlich öffnete ich das Couvert nicht, obwohl es nicht zugeklebt war, sondern brachte es sofort in die Beletage. Wenn Somow mir nicht nachgeschaut hätte, wäre ich gerannt.
    Vor der Tür zum kleinen Salon blieb ich stehen und horchte. Das tue ich immer, und zwar keineswegs, um etwas zu erlauschen, sondern um mit meinem Klopfen nicht in einem wichtigen oder intimen Moment zu stören.
    Von innen drang die sonore, zornige Stimme des Großfürsten Kirill heraus: »Nicky, sei doch nicht

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